(1) Das Gymnasium dient als Lern- und Lebensraum der Bildung des ganzen Menschen. Dafür werden nicht nur Wissensbestände, Fähigkeiten und Fertigkeiten erarbeitet, sondern auch nachhaltig Kompetenzen aufgebaut und die Persönlichkeitsentwicklung der Schülerinnen und Schüler gestärkt. Wer ein Gymnasium erfolgreich besucht, erwirbt eine fachspezifisch sowie fächerübergreifend vertiefte Allgemeinbildung, entwickelt ein differenziertes Bild von sich selbst und der eigenen Lebenswelt und ist zur Bildung begründeter Urteile sowie aufgrund einer reflektierten Werteorientierung zum Handeln in sozialer, ökologischer und ökonomischer Verantwortung fähig. Die wissenschaftspropädeutische Ausrichtung gymnasialen Denkens und Arbeitens führt von Jahrgangsstufe 5 an zur allgemeinen Hochschulreife nach Jahrgangsstufe 13 und bietet somit eine adäquate Vorbereitung auf ein Studium bzw. eine anspruchsvolle Berufsausbildung.
(2) Der breite Fächerkanon des Gymnasiums mit seinen unterschiedlichen Ausbildungsrichtungen eröffnet den Schülerinnen und Schülern vielfältige Möglichkeiten der Weltbegegnung. In den spezifischen Ausprägungen der einzelnen Fächer werden die unterschiedlichen Herangehensweisen an Wahrnehmung und Deutung von Wirklichkeit bewusst sowie deren Besonderheiten, Chancen und Grenzen erkennbar. Im Mit- und Nebeneinander der verschiedenen Zugänge schulen die Kinder und Jugendlichen ihre Fähigkeit zum Perspektivwechsel, indem sie sich der Bedeutung von Sprache und Kommunikation bewusst werden, natur- und geisteswissenschaftliche Sachverhalte erkunden und kognitiv modellieren, im Rahmen ästhetischer Bildung differenziert wahrnehmen, erleben und gestalten, sich werteorientiert mit Gesellschaft und Umwelt auseinandersetzen oder über Grundfragen menschlicher Existenz nachdenken. Die hierfür erforderlichen Kompetenzen bauen sie in dem neunjährigen kontinuierlichen Bildungsgang des Gymnasiums kumulativ und in wechselseitiger Vernetzung der Fächer auf. Mit der Wahl einer speziellen Ausbildungsrichtung vertiefen sie einen der angebotenen Zugänge zur Welt.
(3) Der gymnasiale Bildungsweg zielt in besonderem Maß auf Abstraktionsvermögen sowie die Fähigkeit, auf unterschiedlichen Ebenen Modelle und Theorien zu verstehen, zu übertragen und zu entwickeln. Solche Kompetenzen umfassen auch die Fähigkeit, komplexe Phänomene sachgerecht zu beschreiben und in übergreifende Zusammenhänge einzuordnen, die Reflexion der behandelten Inhalte und angewandten Methoden, das Erschließen relevanter Frage- und Problemstellungen sowie das Wissen um die Aufgaben und die Grenzen der jeweiligen Fachgebiete. Interesse und Wertschätzung für wissenschaftliche Zugänge zur Welt werden ebenso entwickelt wie das Bewusstsein von der grundsätzlichen Begrenztheit menschlicher Erkenntnis. Dabei wird am Gymnasium die Neugier auf Unbekanntes, die Einsicht in die Notwendigkeit lebenslangen Lernens und die Bereitschaft, variable und verantwortbare Handlungs- und Gestaltungsmöglichkeiten zu entwickeln, gefördert.
(4) Ebenso bleibt der Erwerb personaler und sozialer Kompetenzen wesentlicher Anspruch gymnasialer Bildung. Die Heranwachsenden werden zu einer weltoffenen und lebensbejahenden Haltung sowie zur mündigen und solidarischen Teilhabe in der Gesellschaft angeregt. Sie entwickeln zugleich das Bewusstsein, auch ihrerseits auf andere angewiesen zu sein.
(5) Am Gymnasium erwerben Schülerinnen und Schüler nicht nur fachliche und methodische Kompetenzen, sondern erhalten auch Anregung und Unterstützung bei ihrer Suche nach Sinn und Orientierung; dazu gehört auch die Wahrnehmung der religiösen Dimension des menschlichen Lebens. Durch die Begegnung mit der europäischen Kultur, die in der griechisch-römischen Antike und in der jüdisch-christlichen Tradition ihre Wurzeln hat und die durch Kontakte mit den arabischen wie anderen Kulturräumen befruchtet und bereichert wurde, entwickeln die Schülerinnen und Schüler ebenso wie durch die Auseinandersetzung mit aktuellen geistigen und kulturellen Strömungen Maßstäbe, mit deren Hilfe sie ihr Leben in angemessenem Selbstbewusstsein und mit sicherem Urteil meistern können. Die ästhetisch-kulturelle Bildung eröffnet ihnen reflektierte Zugänge zu musisch-künstlerischen Leistungen und Ausdrucksformen, die Wahrnehmungs- und Begegnungsalternativen eröffnen, somit die Persönlichkeitsentwicklung der Heranwachsenden bereichern und ihnen helfen, sich der Bedeutung kultureller Errungenschaften und ästhetischer Maßstäbe für die eigene Lebensgestaltung bewusst zu werden.