Ethik 12 (erhöhtes Anforderungsniveau)
Eth12 1.1 Theorie und Praxis des Handelns (ca. 56 Std.)
Kompetenzerwartungen
Die Schülerinnen und Schüler ...
- identifizieren und analysieren auf der Grundlage von ausgewählten Ansätzen der philosophischen Ethik handlungstheoretische Zusammenhänge. Sie berücksichtigen diese bei der differenzierten moralischen Beurteilung von Handlungen.
- unterscheiden sicher ethische Fachbegriffe und wenden sie im mündlichen und schriftlichen Gebrauch korrekt und gewandt an.
- beurteilen Platons Vorstellungen vom Guten und Gerechten, aufbauend auf bereits bekannten platonischen Texten.
- bewerten die Tugendethik und Mesoteslehre bei Aristoteles in Bezug auf ihre Tragfähigkeit bei der Orientierung in ethischen Fragen und vergleichen sie mit Platons Vorstellungen.
- erörtern Voraussetzungen und Konsequenzen von I. Kants Pflichtethik. Sie überprüfen selbständig die Tauglichkeit des kategorischen Imperativs in moralisch relevanten Situationen.
- bewerten und vergleichen die Tragfähigkeit utilitaristischer und deontologischer Positionen bei der Orientierung in komplexen moralischen Entscheidungssituationen.
- bewerten unter Berücksichtigung philosophischer und psychologischer Erkenntnisse die Rolle der Gefühle bei der Motivation zu moralischem Handeln.
- reflektieren die Moralkritik F. Nietzsches.
- entwickeln durch einen fairen Austausch von Argumenten, der sich am Ideal eines herrschaftsfreien Diskurses orientiert, Problemlösungen, die die Bedürfnisse und Präferenzen der Betroffenen berücksichtigen.
- decken selbständig Techniken unlauteren Argumentierens auf und setzen sich auf angemessene Weise gegen sie zur Wehr, auch in digitalen Medien.
- beurteilen die Überzeugungskraft der verantwortungsethischen Position von H. Jonas vor dem Hintergrund gegenwärtiger umwelt-, bio-, technik- oder medizinethischer Probleme und Herausforderungen.
- erkennen in ihrer Lebenswelt Situationen, in denen ihre ethische Kompetenz gefordert ist. Sie prüfen insbesondere bei Wertekonflikten eigene wie auch fremde Sichtweisen verantwortungsbewusst, selbständig und lösungsorientiert.
- erkennen anhand der Abbildtheorie und der Sprachspiele L. Wittgensteins Möglichkeiten und Grenzen der Sprache, insbesondere bei philosophischen Aussagen. Hierbei untersuchen sie selbständig sprachliche Äußerungen im Hinblick auf Sprachspiele.
Inhalte zu den Kompetenzen:
- grundlegende handlungstheoretische Begriffe und Zusammenhänge, u. a. Handlung, Absicht, Ziel, Mittel, Umstände, Folgen, Wille
- Platon (Politeia): Idee des Guten, Seelenlehre (u. a. Ausrichtung der Seele an der Idee des Guten), Tugenden; Weiterführung in den Kardinaltugenden (z. B. Thomas von Aquin)
- Tugendethik bei Aristoteles (Nikomachische Ethik): Seelenlehre, Mesoteslehre, dianoetische und ethische Tugenden
- Pflichtethik bei I. Kant (deontologische Ethik): Allgemeinheit und Notwendigkeit als Grundvoraussetzungen für das moralische Gesetz, kategorischer Imperativ (Grundformel und Selbstzweckformel), der moralische Wert von Handlungen, Maximenprüfung und Konkretisierung des kategorischen Imperativs
- Utilitarismus (konsequentialistische Ethik): Grundprinzipien und Formen des Utilitarismus (Handlungs-, Regel- und Präferenzutilitarismus)
- die Rolle der Gefühle bei der Motivation zu moralischem Handeln: Mitleidsethik (A. Schopenhauer: Mitleid als Basis von Gerechtigkeit und Menschenliebe); Altruismus- und Empathieforschung, z. B. D. Batson, N. Eisenberg
- F. Nietzsche: Moralkritik, „Herdentier-Moral“, „Herren“- und „Sklavenmoral“, Nihilismus, Selbstbestimmung
- Diskursethik (J. Habermas): Grundsätze und praktische Regeln; Techniken des unlauteren Argumentierens, z. B. argumentum ad hominem, argumentum ad populum, Zirkelschlussargument, Anekdotenargument
- Verantwortungsethik (H. Jonas): Nah- und Fernethik, neuer kategorischer Imperativ, Heuristik der Furcht vor dem Hintergrund eines aktuellen Problems aus der Umwelt-, Bio-, Technik- oder Medizinethik; die Biosphäre als Zweck an sich selbst;
- Philosophie als Sprachkritik (L. Wittgenstein): vom Abbild zum Sprachspiel; Grenzen der Sprache; das Mystische
Eth12 1.2 Moralisches Urteil in den Bereichsethiken (ca. 16 Std.)
Kompetenzerwartungen
Die Schülerinnen und Schüler ...
- bilden sich, unter Berücksichtigung einer oder mehrerer Moraltheorien, ein qualifiziertes Urteil zu einer aktuellen Thematik aus den sog. Bereichsethiken.
- reflektieren Kerngedanken der Wissenschaftstheorie K. Poppers.
- gehen bei der Bildung ihres moralischen Urteils bei Fragen aus den Bereichsethiken systematisch vor, berücksichtigen dabei Kriterien für Wissenschaftlichkeit und identifizieren Merkmale von Pseudowissenschaftlichkeit.
- berücksichtigen und überprüfen bestehende Positionen, u. a. im Hinblick auf Schlüssigkeit, Plausibilität und Überzeugungskraft.
- legen ihr moralisches Urteil schriftlich oder mündlich dar und begründen es überzeugend.
Inhalte zu den Kompetenzen:
- eine Fragestellung aus den Bereichsethiken, z. B. Medienethik, Bioethik, Wirtschaftsethik, Technikethik
- Schritte ethischer Urteilsfindung im Rahmen der Bereichsethiken
- Kriterien zur Beurteilung der Schlüssigkeit von Argumentation
- Kerngedanken der Wissenschaftstheorie K. Poppers: Bewährung, Prüfbarkeit, Erwartungshorizont, Fortschritt der Wissenschaft durch Falsifikation
- Kriterien für Wissenschaftlichkeit und Pseudowissenschaftlichkeit
Alltagskompetenzen
Eth12 Lernbereich 2: Erkenntnistheorie, Freiheit und Determination (ca. 40 Std.)
Kompetenzerwartungen
Die Schülerinnen und Schüler ...
- reflektieren die Verantwortlichkeit für Handlungen und grenzen freiwillige von unfreiwilligen Handlungen ab, u. a. indem sie Aristoteles’ Vorstellungen hierzu beurteilen.
- erkennen das Problem der Willensschwäche in ihren alltäglichen Entscheidungen und Handlungen, u. a. bei ihrem Umgang mit digitalen Medien, und setzen sich mit diesem auch vor dem Hintergrund philosophischer Texte differenziert auseinander.
- entwickeln ein reflektiertes Menschenbild, u. a. vor dem Hintergrund wissenschaftlicher und philosophischer Theorien.
- beurteilen die Gedanken I. Kants zur menschlichen Erkenntnisfähigkeit.
- unterscheiden positive und negative Freiheit
- untersuchen Bedingungen des Entscheidens und Handelns auf der Grundlage zentraler Aussagen P. Bieris.
- vergleichen die philosophischen Vorstellungen Aristoteles’, I. Kants, A. Schopenhauers, J.-P. Sartres und P. Bieris zur menschlichen Freiheit.
- machen sich bei der Reflexion von Entscheidungen und Handlungen vielfältige psychologische, sozialpsychologische und soziologische Einflussgrößen und deren Implikationen für die menschliche Freiheit bewusst. Sie berücksichtigen diese Erkenntnisse bei ihren Urteilen.
- bewerten die Relevanz und die Überzeugungskraft von Beiträgen aus der Neurobiologie für die Frage nach der menschlichen Freiheit in differenzierter Weise. Dabei berücksichtigen sie insbesondere die einschlägige philosophische Kritik.
Inhalte zu den Kompetenzen:
- Aristoteles: freiwilliges und unfreiwilliges Handeln sowie Mischformen
- Willensschwäche, z. B. Aristoteles, Thomas von Aquin, R. M. Hare, D. Davidson
- I. Kant: Freiheit als Autonomie des Willens, Freiheit und moralisches Gesetz; fundamentale Gedanken der Erkenntnistheorie (Erkenntnisse a priori und a posteriori, analytische und synthetische Urteile, Raum und Zeit als Formen der Anschauung, Dinge an sich und Erscheinungen, Anschauungen und Begriffe als Elemente aller Erkenntnis)
- positive und negative Freiheit am Beispiel der Religionsfreiheit
- A. Schopenhauer: Schein der Willensfreiheit (moralische Freiheit, Satz vom Grund, Charakter, Motiv), blinder Wille
- J.-P. Sartres atheistischer Existentialismus: der Mensch als ein prinzipiell freies Wesen, Existenz und Essenz
- P. Bieri: bedingte und unbedingte Freiheit, Aneignung des Willens
- Sozialpsychologie: Konformität (Acceptance, Compliance), Autorität (u. a. Milgram-Experiment), Bystander-Effekt, Nudging
- Sozialisation, Status und Rolle als Bestimmungsgrößen für menschliches Verhalten; Gender (m/w/d), z. B. S. de Beauvoir, J. Butler
- Freiheit des Menschen aus neurobiologischer Sicht: das Experiment von B. Libet; Aussagen der neueren Forschung, z. B. G. Roth, W. Singer, W. Prinz
- philosophische Kritik der Aussagen von Neurobiologinnen und Neurobiologen anhand zentraler Aspekte: „Gründe statt Ursachen“, interaktionistischer Dualismus, Qualia, Erklärungslücke und Anschlussproblem, Prinzip der kausalen Geschlossenheit der physikalischen Welt