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Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung München

Evangelische Religionslehre 12 (erhöhtes Anforderungsniveau)

ER12 Lernbereich 1: Woran dein Herz hängt – Sinnfrage und Gottesfrage (ca. 36 Std.)
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Kompetenzerwartungen

Die Schülerinnen und Schüler ...

  • identifizieren komplexe Fragestellungen in aktuellen gesellschaftlichen Phänomenen, diskutieren deren Relevanz und begründen die Wahl eines übergreifenden Längsschnittthemas, das im Laufe des Leistungsfachs immer wieder aus der Perspektive des jeweiligen Lernbereichs beleuchtet wird.
  • identifizieren Sinnfragen und ‑angebote in Kultur und Gesellschaft und beziehen sie auf eigene Vorstellungen.
  • reflektieren in diesem Zusammenhang die Relevanz der Frage nach Gott, indem sie sich mit unterschiedlichen theologischen Positionen auseinandersetzen.
  • beschreiben die Beziehung zwischen Gott und Mensch in exemplarischen biblischen Traditionen und leiten daraus Grundelemente biblischen Gottesverständnisses ab.
  • reflektieren das Verhältnis von Allmacht und Liebe in christlicher Rede von Gott und erörtern Konsequenzen für menschliches Selbstverständnis.
  • formulieren die Theodizeefrage präzise im Horizont biblischer Tradition und nehmen Letztere in ihrer Heterogenität differenziert wahr.
  • beziehen die Theodizeefrage auf eigene und gesellschaftliche Erfahrungen, erörtern mehrere Antwortversuche aus Philosophie und Theologie und setzen diese zueinander sowie zu biblischen Denkfiguren in Beziehung.
  • erklären in Grundzügen die Bedeutung eines trinitarischen Gottesglaubens und bringen das darin ausgedrückte Verständnis von Gott und Wirklichkeit ins Gespräch mit anderen Vorstellungen.
  • vergleichen mindestens zwei religionskritische Positionen, setzen sich mit diesen aus christlicher Sicht auseinander und vertreten begründet einen Standpunkt.
  • erschließen systematisch-theologische Perspektiven auf das Längsschnittthema, indem sie es mit soziokulturellen, biblisch-theologischen, philosophischen und religionskritischen Deutungsangeboten in Beziehung setzen.

Inhalte zu den Kompetenzen:

  • eine aktuelle, komplexe und relevante Fragestellung, z. B. aus dem politischen, medizinischen, sozialen, ökologischen, wirtschaftlichen, medialen, persönlichen Bereich, die aus der Perspektive von Theologie, Anthropologie und Ethik beleuchtet werden kann
  • Sinnfragen und ‑angebote z. B. in Politik, Kirche, Kunst, Musik, Literatur, Filmen, Werbung, Social Media; Zusammenhänge von Sinn- und Transzendenzvorstellungen
  • die Frage nach Gott als existenzielle Frage: „woran dein Herz hängt“ (M. Luther), wovon der Mensch „schlechthin abhängt“ (F. D. E. Schleiermacher), das, was uns „unbedingt angeht“ (P. Tillich); dazu Anfragen aus der dialektischen Theologie (K. Barth)
  • die Beziehung Gottes zu den Menschen in der Bibel: Gott als Schöpfer, Befreier, seine Unverfügbarkeit und Nähe, seine Menschwerdung, Passion und Auferstehung; ggf. weitere Aspekte
  • das Verhältnis von Allmacht und Liebe Gottes in Beispielen christlicher Theologie: bei Martin Luther und in moderner Theologie, z. B. D. Bonhoeffer, J. Moltmann, I. Dalferth
  • ausgewählte biblische Antwortversuche bzw. Formen des Umgangs mit Theodizee, z. B. Tun-Ergehens-Zusammenhang, Klage, Anklage Gottes, Begrenztheit menschlicher Einsicht, Gottes Selbsterniedrigung, Hoffnung auf ausstehende Vollendung
  • philosophische und theologische Antwortversuche auf die Theodizeefrage bei G. W. Leibniz, M. Luther und in einem zeitgenössischen theologischen Ansatz, z. B. „Theologie nach Auschwitz“
  • Trinitätsvorstellung im Sinne des Apostolischen Glaubensbekenntnisses als christliche Deutung des Verhältnisses von Gott und Wirklichkeit: Deutungen wie Gott in Bewegung, Gott als Liebe, Ohnmacht Gottes
  • trinitarisches Gottesverständnis im Gespräch mit anderen religiösen Vorstellungen, z. B. aus Islam oder Judentum
  • religionskritische Positionen: die Projektionstheorie Feuerbachs sowie weitere Positionen, z. B. K. Marx, F. Nietzsche, S. Freud oder eine aktuelle Form von Atheismus
  • theologisch reflektierte Deutungsangebote je nach Wahl des Längsschnittthemas: Sinnfragen und ‑angebote, Perspektive des Gottesgedankens, Theodizee, religionskritische Positionen

ER12 Lernbereich 2: Der im-perfekte Mensch (ca. 28 Std.)
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Kompetenzerwartungen

Die Schülerinnen und Schüler ...

  • identifizieren persönliche und gesellschaftliche Vorstellungen von Perfektion und vollkommenem Leben und bewerten diese differenziert.
  • beschreiben Einflüsse auf persönliche Identität bzw. Selbstkonzept, nehmen die Gebrochenheit und Fragmentarität menschlichen Lebens wahr und reflektieren in diesem Zusammenhang die Bedeutung von Scheitern und Schuld.
  • setzen sich mit der Begrenztheit menschlicher Wirklichkeitswahrnehmung auseinander, bringen dazu philosophische Ansätze aus verschiedenen Epochen und theologische Denkfiguren miteinander ins Gespräch und diskutieren mögliche Konsequenzen für das eigene Wirklichkeitsverständnis.
  • stellen an einem Beispiel mithilfe mindestens zweier nicht-theologischer Theorien Begründungsmöglichkeiten für aggressives Verhalten dar, setzen sie in Beziehung zueinander und untersuchen diese im Blick auf deren Auffassung von Willensfreiheit.
  • vollziehen die reformatorische Denkfigur von „simul iustus et peccator“ anhand biblischer Texte nach und deuten die Fragmentarität und das problematische Verhalten des Menschen im Horizont der christlichen Rede von Sünde, Vergebung und Rechtfertigung.
  • erschließen anthropologische Perspektiven auf das Längsschnittthema, indem sie humanwissenschaftliche, philosophische und reformatorisch-theologische Diskurse zur Fragmentarität und Begrenztheit menschlicher Identität und Wahrnehmung einbeziehen.
  • bringen diese mit Aspekten ins Gespräch, die sich aus der Auseinandersetzung mit menschlicher Produktivität und Kreativität ergeben.

Inhalte zu den Kompetenzen:

  • persönliche und gesellschaftliche Vorstellungen von perfektem Leben, z. B. körperlich, materiell, geistig, sozial; dazu Aspekte wie Machbarkeit, Leistungsgedanke, Fortschritt, Selbstverwirklichung, Wirkmächtigkeit
  • Einflussfaktoren für die Herausbildung von Identität bzw. Selbstkonzept aus sozialem Umfeld und jugendrelevanten medialen Kontexten wie Influencer oder Werbung, z. B. Vorbilder, Narrative, Traditionen; dazu psychologische Begrifflichkeiten wie Ich‑Konzept, Konstruktion, Selbst‑ und Fremdwahrnehmung, Stabilität und Veränderung
  • Fragmentarität menschlichen Lebens, z. B. aufgrund eigener Begrenztheit oder gesellschaftlicher Bedingungen
  • Erfahrungen von Schuld und Scheitern, z. B. in Beziehungen, als Zerbrechen von Lebensentwürfen; die Schwierigkeit, zu seinen Fehlern zu stehen, mit Angst und Scham umzugehen und mit Schuld zu leben; Angewiesenheit auf Vergebung
  • Aussagen zur Wahrnehmung von Wirklichkeit: Platon, I. Kant, dazu Empirismus und Rationalismus, mindestens ein moderner erkenntnistheoretischer Ansatz, z. B. Konstruktivismus, Neuer Realismus; dazu christliche Perspektiven im Sinne der Spannung von „schon“ und „noch nicht“ (1 Kor 13) wie Bruchstückhaftigkeit, Dunkelheit und Vorläufigkeit menschlicher Erkenntnis.
  • mindestens zwei Erklärungen für menschliche Aggression, z. B. aus Philosophie, Psychologie, Biologie, Neurowissenschaften
  • biblische und reformatorische Rede von Sünde und Gnade im Sinne von Gen 1‑11, Lk 15, Röm 3,21 ff. und Röm 7; dazu Martin Luthers Römerbriefvorlesung in übersetzten Auszügen; weitere biblische Bezüge wie Ps 8, Ps 130, Joh 8,2‑11, Gal 3,26‑28
  • Sünde als Sein‑wollen wie Gott, als Störung der Beziehung zu Gott, Mitmenschen und zu sich selbst; Rechtfertigung als Wiederherstellung der gestörten Beziehung, als Befreiung vom Perfektionszwang und als Ermutigung, mit Brüchen und Unvollkommenheit zu leben
  • je nach Wahl des Längsschnittthemas: identitätsbildende Faktoren, Fraglichkeit von Erkenntnis, Fragmentarität menschlicher Existenz, Willensfreiheit und Aggression, Sünde und Vergebung

ER12 Lernbereich 3: „Homo faber“ – Der Mensch und seine Möglichkeiten (ca. 24 Std.)
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Kompetenzerwartungen

Die Schülerinnen und Schüler ...

  • reflektieren eigene Erfahrungen in Bezug auf Aktivität, Kreativität und Leistung und überprüfen deren Bedeutung für das eigene Selbstverständnis.
  • erschließen differenziert unterschiedliche Sichtweisen vom Wesen des Menschen, die seine Leistungsfähigkeit, Aktivität und Passivität thematisieren, und setzen sie zu einander in Beziehung.
  • begründen menschliche Kreativität aus biblischem Schöpfungsglauben und verorten sie in der Spannung von Empfangen und Gestalten, von Aktivität und Ruhe.
  • setzen sich mit biblischen und reformatorischen Perspektiven auf menschliche Leistungsbereitschaft, Leistungsfähigkeit und Leistungszwang auseinander und beziehen diese auf eigene Fragen.
  • legen unterschiedliche Vorstellungen und Theorien zu Arbeit und Beruf dar, setzen sie zueinander in Beziehung und diskutieren Konsequenzen für die gegenwärtige Arbeitswelt.
  • entwickeln aus der biblisch-christlichen Vorstellung vom Menschen an einem aktuellen Beispiel differenzierte Perspektiven für die Fragen nach Arbeit, Leistung und Gerechtigkeit.
  • erschließen anthropologische Perspektiven auf das Längsschnittthema, indem sie Aussagen aus Wissenschaft, Kunst und Theologie, die die Aktivität, Leistungsfähigkeit und Kreativität des Menschen reflektieren, einbeziehen.
  • bringen diese mit Aspekten ins Gespräch, die sich aus der Auseinandersetzung mit der Fragmentarität und Begrenztheit des Menschen ergeben.

Inhalte zu den Kompetenzen:

  • Erfahrungen, die die Ambivalenz von Aktivität, Kreativität und Leistung deutlich machen, z. B. in Schule, Sport, Freizeit
  • verschiedene Sichtweisen vom Menschen als gestaltendes Wesen: philosophische Anthropologie; mindestens zwei weitere Beispiele aus Naturwissenschaft, Psychologie, Literatur, Kunst und Film
  • der Mensch als empfängliches Geschöpf und Ebenbild Gottes, Auftrag zur Weltgestaltung, die Sabbatruhe als Geschenk; dazu M. Luthers Auslegung zum 1. Artikel des Glaubensbekenntnisses
  • biblische Aussagen in ihrer Relevanz für Fragen nach Leistungsbereitschaft, Leistungsfähigkeit und Leistungszwang: Mt 6,19‑34, weitere Beispiele wie Pred 3,9‑13, Lk 19,11‑27, 2 Thess 3,6‑15
  • Grundgedanken der „Freiheit eines Christenmenschen“ in ihrer Relevanz für Fragen nach Leistung, z. B. Entlastung vom Zwang, sich über Aktivität und Leistung zu definieren, Arbeit als Ermöglichung von Freiheit, Arbeit als Dienst am Nächsten
  • Theorien und Vorstellungen zu Arbeit: Beruf und Berufung bei M. Luther, K. Marx’ Theorie der Entfremdung, moderne Deutungen von Arbeit, z. B. als Selbstverwirklichung, als Religionsersatz, als reine Erwerbsarbeit, als ehrenamtliche Arbeit, in ihrem Verhältnis zu Freizeit; dazu aktuelle Leitbilder von Unternehmen
  • mindestens ein Beispiel aus der sich wandelnden Arbeitswelt wie Verteilung von Arbeit, Arbeitsbedingungen, Geschlechtergerechtigkeit, Ausbeutung, gerechte Bezahlung; in Abhängigkeit vom gewählten Beispiel Aspekte von Globalisierung, Digitalisierung, Technisierung
  • je nach Wahl des Längsschnittthemas: anthropologische Konzepte, Geschöpflichkeit und Gottesebenbildlichkeit, Leistungsfähigkeit und Leistungszwang, evangelische Freiheit, Theorien zur Arbeit, Gerechtigkeit

ER12 Lernbereich 4: Mittendrin!? – Christsein in der Gesellschaft (ca. 24 Std.)
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Kompetenzerwartungen

Die Schülerinnen und Schüler ...

  • verorten sich als Teil der Gesellschaft, identifizieren Phänomene und Situationen, in denen Individuum und Gesellschaft aufeinander einwirken, und reflektieren Konsequenzen für ihr Verständnis von Individualität und Freiheit.
  • erläutern und vergleichen Theorien zum Wesen des Menschen als politischem Gemeinschaftswesen aus unterschiedlichen Epochen und prüfen darin Spielräume für Individualität und Mündigkeit.
  • beschreiben und diskutieren die Rolle von Kirche in der gegenwärtigen Gesellschaft.
  • stellen theologische Modelle zur Begründung von Sozialethik dar, vollziehen davon ausgehend Meinungsbildungsprozesse auf der Ebene von ELKB bzw. EKD nach und setzen sich mit der Frage der Übernahme politischer Verantwortung auseinander.
  • erschließen vertieft eine aktuelle sozialethische Fragestellung als Herausforderung für das Verhältnis von Individuum und Gesellschaft, bewerten recherchierte Informationen kritisch und reflektieren unterschiedliche Handlungsmöglichkeiten.
  • erörtern die gewählte Problemstellung aus christlicher Perspektive und beziehen dabei passende theologische Modelle zur Begründung von Sozialethik differenziert ein.
  • erschließen sozialethische Perspektiven auf das Längsschnittthema, indem sie Aspekte von Individualität, Mündigkeit und Verantwortung sowie bei der Auseinandersetzung mit der Problemstellung erworbene Kompetenzen einbeziehen.

Inhalte zu den Kompetenzen:

  • Verortungen anhand von Kriterien wie Rollen, Zugehörigkeiten, Milieus
  • Beispiele für das Aufeinandereinwirken von Individuum und Gesellschaft, offensichtliche und verdeckte Zusammenhänge in Bereichen wie Schule, Mode, Medien, Freizeit
  • der Mensch als zoon politikon in Theorien aus Antike (z. B. Platon, Aristoteles), Neuzeit (z. B. Th. Hobbes, J.‑J. Rousseau) und Moderne (z. B. H. Arendt, J. Habermas); ggf. ein gegenwärtiger Ansatz
  • Kirche in der Gesellschaft: Wahrnehmungen, Erwartungen, Aktivitäten; in diesem Zusammenhang unterschiedliches Selbstverständnis der Kirchen und konziliarer Prozess
  • Formen innerkirchlicher Meinungsbildung in ELKB bzw. EKD, wie z. B. synodale Strukturen, Kammern und Ausschüsse der EKD, Prozesse und Projekte der ELKB
  • Übernahme politischer Verantwortung unter Berücksichtigung des historischen und gegenwärtigen Kontextes
  • gesellschaftliche Herausforderungen, z. B. Arbeitslosigkeit, demografischer Wandel, Migration, Fragen der Sozial‑, Umwelt‑, Wirtschafts‑ oder Friedenspolitik
  • christliche Perspektiven, z. B. im Schöpfungsgedanken begründete Menschenwürde und Solidarität, verantworteter Umgang mit der Welt, Gerechtigkeitsvorstellungen in der alttestamentlichen Prophetie; dazu Beiträge aus EKD-Denkschriften
  • theologische Modelle zur Begründung von Sozialethik: M. Luthers Unterscheidung der zwei Reiche und Regimente, K. Barths Modell der „Königsherrschaft Christi“; sowie einen weiteren Ansatz, z. B. D. Bonhoeffer („Die Kirche vor der Judenfrage“), Aspekte der Befreiungstheologie, der Öffentlichen Theologie oder der katholischen Soziallehre
  • je nach Wahl des Längsschnittthemas: politische Theorien zum Menschen als Gemeinschaftswesen, theologische Modelle zur Sozialethik, christliche und kirchliche Perspektiven, in Auseinandersetzung mit der sozialethischen Fragestellung gewonnene Einblicke