Selbstverständnis des Faches
Der evangelische Religionsunterricht hat im Fächerkanon der Schule die Aufgabe, der Kommunikation der Schülerinnen und Schüler mit der christlichen Tradition in der gegenwärtigen Welt zu dienen. Mit dem Religionsunterricht nimmt die Kirche Bildungsverantwortung in der pluralen Gesellschaft am Ort der Schule wahr. Sie tut dies in konfessioneller Deutlichkeit und ökumenischer Offenheit. Der Religionsunterricht geschieht unter den Gegebenheiten und Bedingungen der Schule und wird von Kirche und Staat gemeinsam verantwortet.
Aus dieser Aufgabe ergeben sich folgende Ziele:
- Der Religionsunterricht informiert und orientiert über die christliche Tradition und ihre jüdischen Wurzeln, über die Kirche in Geschichte und Gegenwart, über Fragen der Ökumene und des interreligiösen Dialogs sowie über philosophische und außerchristliche Deutungen von Mensch und Welt. Er will Schülerinnen und Schülern Wege zu einem lebensbezogenen Umgang mit der biblischen Überlieferung eröffnen.
- Der Religionsunterricht bringt Fragen und Herausforderungen unserer Zeit zur Sprache; er will Schülerinnen und Schüler zur Auseinandersetzung mit christlichem Glauben und Handeln anregen und sie ermutigen, vom Evangelium her Perspektiven für die eigene Orientierung zu entwickeln. Bei den damit verbundenen Lernprozessen sind die religiöse Entwicklung und Sozialisation der Schülerinnen und Schüler zu beachten.
- Der Religionsunterricht fördert die Selbständigkeit der Schülerinnen und Schüler; er will sie hinführen zu einem vor Gott verantwortlichen achtsamen Umgang mit Mensch und Welt. Er bietet den Schülerinnen und Schülern im Rahmen der schulischen Möglichkeiten Lebenshilfe und Begleitung an. Dazu gehört auch, im Leben der Schule Raum zu schaffen für Innehalten und Feiern, für Gebet und Gottesdienst. Der Religionsunterricht unterstützt von seinem christlichen Menschenbild her soziales und kommunikatives Lernen; er fördert Toleranz und Empathie.
- Der Religionsunterricht bringt die biblische Botschaft nicht nur als historisch Gegebenes zur Sprache, sondern will zugleich offen sein für die persönliche Anrede Gottes an den Menschen. Er will Wege zum Glauben eröffnen und Schülerinnen und Schülern dabei helfen, ihren Ort in der Gemeinschaft der Christen zu bestimmen. Die Schülerinnen und Schüler sollen, auch im Umgang mit bedrückenden Lebenserfahrungen, zu einem Leben aus der Hoffnung des christlichen Glaubens ermutigt werden.
Der Religionsunterricht ist heute geprägt von einer Vielfalt an Konzeptionen und Methoden. Seiner Aufgabe entspricht ein mehrdimensionales Lernen und Lehren. In der spannungsvollen Einheit von Wirklichkeitserfahrung und Glaubensauslegung begegnen sich im Unterricht Lernende und Lehrende als Personen mit einer je eigenen Geschichte. Dass der Religionsunterricht im Vertrauen auf Gott geschehen kann, schließt die Bejahung der menschlichen Grenzen allen Lehrens und Lernens ebenso ein wie die Möglichkeit, immer wieder neu anzufangen.
(Leitlinien der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern für den evangelischen Religionsunterricht in Bayern)
Beitrag des Faches zur Bildung an der Beruflichen Oberschule
Der evangelische Religionsunterricht zielt zusammen mit den anderen Fächern an der Beruflichen Oberschule auf eine fundierte und umfassende Bildung. Der Religionsunterricht nimmt den Anspruch auf religiöse Bildung ernst und bringt die religiöse Perspektive in die Vielfalt der unterschiedlichen Weltzugänge ein.
Die Schülerinnen und Schüler sind in den Lerngruppen bezüglich ihrer praktischen, beruflichen Erfahrung, der Bildungsvoraussetzungen und persönlichen, emotionalen und sozialen Entwicklung heterogen zusammengesetzt und bringen eine jeweils individuelle religiöse Sozialisation mit. Ihrem Alter gemäß stellen sie sich verschiedenen Entwicklungsaufgaben wie Identitätsfindung, Selbständigkeit, Vertreten eigener Wertvorstellungen, Übernahme von Verantwortung, Gestaltung der eigenen Zukunft. Der Religionsunterricht bietet zu allen diesen Aufgaben Anregungen und kann wertvolle Orientierungshilfe sein. Er gibt Raum, die unterschiedlichen Lebenserfahrungen zur Sprache zu bringen, Sinnfragen und die Frage nach Gott zu thematisieren, zu reflektieren und immer wieder neu zu durchdenken.
Die existenziellen Fragen der Schülerinnen und Schüler werden im Dialog christlicher Vorstellungen mit Gedanken und Sichtweisen anderer Weltanschauungen diskutiert. Dabei lernen die Schülerinnen und Schüler, eigene Standpunkte zu reflektieren, sie ins Gespräch mit anderen einzubringen und mit anderen Positionen respektvoll umzugehen.
Die Schülerinnen und Schüler werden angeleitet und ermutigt, sich selbst und die eigenen Rollen in der Gemeinschaft bewusst wahrzunehmen, ethische Herausforderungen im eigenen Leben, in der Gesellschaft und in der globalen Weltgemeinschaft zu identifizieren. Sie können daraus Optionen für ein freiheitliches, verantwortliches und am Evangelium ausgerichtetes Handeln und Entscheiden entwickeln und sich so in den öffentlichen Diskurs über religiöse, weltanschauliche und ethische Fragestellungen einbringen.
Christlicher Schöpfungs- und Rechtfertigungsglaube sieht das Handeln und Entscheiden und entsprechend die „Kompetenzen“ des Menschen als nicht in ihm selbst begründet; menschliche Freiheit und Würde sind aus der Gottesbeziehung abgeleitet. Zur religiösen Bildung und Mündigkeit gehört daher nach christlichem Verständnis auch die Ausbildung eines Bewusstseins für Situationen des Angewiesenseins und für die Grenzen des Machbaren.
Das Fach Evangelische Religionslehre unterstützt eine umfassende Bildung, indem es das Schulleben um konfessionsübergreifende Projekte und Ausstellungen, Meditationen, Andachten und Gottesdiensten und Angebote der Schulseelsorge bereichert.