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Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung München

Soziologie

1 Selbstverständnis des Faches Soziologie und sein Beitrag zur Bildung
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Das Fach Soziologie ist neben dem Prüfungsfach Pädagogik/Psychologie ein zentrales Profilfach der Ausbildungsrichtung Sozialwesen an der Beruflichen Oberschule und wird in anderen Ausbildungsrichtungen als erweiterndes Wahlpflichtfach angeboten. Der Unterricht im Fach Soziologie soll den Schülerinnen und Schülern einen Einblick in sozialwissenschaftliche Inhalte und Sichtweisen vermitteln und zur individuellen Persönlichkeitsentwicklung beitragen. Das Fach ermöglicht eine Einführung in die Soziologie und zeigt gleichzeitig die Vernetzungen mit anderen Fächern, wie z. B. Pädagogik/Psychologie, Sozialkunde, Deutsch oder Ethik, auf. Es bahnt Kompetenzen an, die dazu befähigen sollen, den Anforderungen des Studiums, der Arbeitswelt und des eigenen Lebens gerecht zu werden.

Das Fach Soziologie beschäftigt sich mit den Strukturen, Funktionen und Veränderungsprozessen von Gesellschaft. Die Schülerinnen und Schüler gewinnen diesbezüglich ein Bewusstsein für ihre eigene soziale Identität, für Interaktionsprozesse mit anderen Menschen und ihre unterschiedlichen Rollen in den verschiedenen sozialen Subsystemen der Gesellschaft (Mikroebene). Sie erkennen Gruppenprozesse und Gruppenstrukturen und reflektieren ihre Beziehungen und Positionen in unterschiedlichen sozialen Gruppen (Mesoebene).

Schließlich werden sie für gesellschaftliche Strukturen sensibilisiert, hinterfragen gesellschaftliche Phänomene kritisch und übernehmen in der Gesellschaft Verantwortung (Makroebene), auch im Hinblick auf Prozesse des Wandels (Chronoebene). Die Schülerinnen und Schüler wenden dabei Kenntnisse zu gesellschaftlichen Sachverhalten, soziologischen Begriffen und Denkweisen sowie sozialwissenschaftlichen Methoden an.

Vor allem sind sie für den „soziologischen Blick“ sensibilisiert. Damit wird die Fähigkeit bezeichnet, soziale Sachverhalte aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten, soziale Phänomene zu hinterfragen und diese kritisch zu reflektieren. Mithilfe des Unterrichts erwerben sie Selbstvertrauen und Reflexionsbereitschaft, sie lernen eigenes und fremdes Verhalten besser zu verstehen und begegnen dadurch anderen Menschen offener und toleranter. Sie durchschauen Strukturen und Zusammenhänge, um die Gesellschaft verantwortungsvoll mitzugestalten.

2.2 Prozessbezogene Kompetenzen
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Das Fach vermittelt die Kompetenz, mithilfe der soziologischen Denkweise in unserer Gesellschaft als mündiger Bürger verantwortungsvoll zu agieren. Diese Handlungskompetenz konkretisiert sich in prozessbezogenen Kompetenzen, die im Außenbereich des Strukturmodells dargestellt sind.

Wahrnehmen und erkennen
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Die Schülerinnen und Schüler nehmen sich als Individuum wahr und erkennen ihre Abhängigkeiten und Einflussmöglichkeiten im Hinblick auf Beziehungen, Gruppen, Institutionen bzw. Organisationen und Gesellschaft.

Analysieren und einordnen
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Sie analysieren Zusammenhänge und Gesetzmäßigkeiten auf den unterschiedlichen soziologischen Ebenen. Auf der Basis dieser Analysen ordnen sie ihre Erkenntnisse zu einem Gesamtbild von der Gesellschaft und ihren Wirkmechanismen.

Deuten und werten
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Sie deuten soziologische Aussagen auf verschiedenen Ebenen und werten diese individuell vor dem Hintergrund eines demokratisch freiheitlichen Wertesystems.

Folgern und planen
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Aus ihren Erkenntnissen folgern sie, welche individuellen und gesellschaftlichen Veränderungen notwendig sind, und planen davon ausgehend ethisch verantwortungsbewusstes Handeln.

Verantwortungsbewusst handeln
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In einem letzten Schritt sind sie in der Lage, ihre gesellschaftliche Mitwirkung kompetent zu gestalten. Die Auswirkungen ihres Handelns können dann wiederum von ihnen wahrgenommen und analysiert werden.

2.3 Gegenstandsbereiche
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Das Fach Soziologie betrachtet in seinen Gegenstandsbereichen das Individuum in der Interaktion mit der Gesellschaft. Durch die Analyse der Rolle des Individuums in der beruflichen und privaten Interaktion mit anderen Mitgliedern der Gesellschaft werden Möglichkeiten und Mechanismen der Mitwirkung in Gesellschaften herausgearbeitet.

Individuum in der Gesellschaft
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Es werden Sozialisationsprozesse, deren Akteure sowie die zugrunde liegenden Wirkweisen näher beleuchtet. Die Entstehung von Identität im Wechselspiel zwischen Individuum und Gesellschaft ist Gegenstand der unterrichtlichen Arbeit: Welche Faktoren machen uns zu dem, was bzw. wer wir sind, und welche Instanzen wirken in welcher Weise und welchem Ausmaß bei der Sozialisation des Einzelnen mit?

Handeln in sozialen Gruppen
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Der Blick richtet sich auf soziale Gruppen und deren Bedeutsamkeit. Es wird untersucht, inwieweit die Gruppenzugehörigkeit relevant für das Handeln und Erleben von Individuen ist und wie innerhalb von Gruppen Entscheidungen getroffen werden. Die Etablierung und Wirkung von Macht in Gruppen wird fokussiert und im Weiteren geht es um Gruppenzugehörigkeit als Ausgangspunkt zur Übernahme unterschiedlicher Perspektiven.

Heterogenität in der Gesellschaft
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Die soziale Ungleichheit in Gesellschaften, deren problematische Auswirkungen sowie der Zusammenhang mit Macht und Herrschaft werden mithilfe von empirischen Methoden untersucht, analysiert und Handlungsmuster daraus abgeleitet.

Wandel der Gesellschaft
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Der Wandel von Gesellschaften wird im Unterricht aufgegriffen, indem auslösende Faktoren identifiziert, Auswirkungen beurteilt und resultierende Konflikte analysiert werden. Theorien zum gesellschaftlichen Wandel werden begutachtet und der Umgang mit Wandel und Mitwirkung in einer sich wandelnden Gesellschaft thematisiert.

3 Aufbau des Fachlehrplans im Fach Soziologie
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Eine Besonderheit des Faches Soziologie liegt darin, dass sich große methodische und auch inhaltliche Freiräume eröffnen. Der hier angelegte Rahmen ermöglicht eine inhaltliche Schwerpunktsetzung durch die Lehrkraft. Dabei bestimmt der Fachlehrplan zwar die Inhalte im Großen und Ganzen, im Einzelnen aber sind – je nach Untersuchungsgegenstand und je nach Schwerpunkt der Untersuchungsebene – nur bestimmte Aspekte und ausgewählte Teile einzelner Theorien zu vertiefen. Soziologische Theorien werden dabei nicht als Selbstzweck, sondern nur an konkreten Phänomenen und Problemen entwickelt. Der Lehrplan legt sich hierbei nicht auf eine spezielle Sichtweise in der Soziologie fest. Das Fach behandelt in thematischer Progression Aspekte der individuellen Entwicklung, Handlungsmöglichkeiten und Positionen des Einzelnen in sozialen Gebilden und der Gesellschaft sowie Ursachen globaler sozialer Entwicklungen und ihre Rückwirkungen auf den Einzelnen. Die Umsetzung des Lehrplans soll sich an den Interessen und der Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler orientieren und wissenschaftspropädeutische Fähigkeiten aufbauen. Um dem gerecht zu werden, werden Unterrichtssituationen geschaffen, in denen die Schülerinnen und Schüler Aussagen über soziologische Sachverhalte inhaltlich bearbeiten sowie ansatzweise nach ihrem Wissenschaftsgehalt beurteilen. Die inhaltliche Gliederung orientiert sich an folgenden Gegenstandsbereichen:

  • Individuum in der Gesellschaft: Auf der Mikroebene beschäftigt sich das Fach mit der gesellschaftlichen Prägung und Identitätsfindung des Individuums. Sozialisationsprozesse und -instanzen sind hierbei von besonderer Bedeutung, ebenso wie Idealtypen des Handelns und Individualisierung.
  • Handeln in sozialen Gruppen: Auf der Mesoebene setzt sich der Soziologieunterricht mit sozialen Gruppen, deren Strukturen, Prozessen und Interaktionsweisen sowie Perspektivendifferenz auseinander.
  • Heterogenität in der Gesellschaft: Auf der Makroebene beschäftigen sich die Schülerinnen und Schüler mit dem Gesellschaftssystem als Ganzem und den Bereichen Sozialstruktur, soziale Schichtzugehörigkeit, Macht und Herrschaft.
  • Wandel der Gesellschaft: Die Chronoebene betrachtet anhand der Phänomene Globalisierung und Wertewandel gesellschaftliche Veränderungsprozesse und ihre Rückwirkungen auf das Individuum.

Der Lehrplan zielt darauf ab, alle vier Ebenen exemplarisch zu beleuchten. Die beschriebene Abfolge ist als Vorschlag zu verstehen und kann je nach Erfordernissen abgewandelt werden.

4 Zusammenarbeit mit anderen Fächern
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Das Ziel fachübergreifenden Unterrichts besteht in der Wahrnehmung und Reflexion unterschiedlicher Perspektiven. Ihre Erweiterung bzw. ihr Wechsel machen es möglich, Gegenstände aus anderen als den gewohnten Blickwinkeln zu betrachten. Daneben kann der Soziologieunterricht dazu beitragen, die Fähigkeit des Urteilens und Handelns in übergreifenden und komplexen Strukturen zu verbessern.

Die Soziologie hat vielfältige Berührungspunkte und Überlappungen mit anderen Wissenschaften. Auch das Schulfach Soziologie besitzt dementsprechend eine große Nähe zu anderen Fächern, wie Katholische und Evangelische Religionslehre, Ethik, Deutsch, Geschichte sowie Wirtschaftslehre und Recht, Sozialkunde und Pädagogik/Psychologie. Besonders deutlich wird dies beispielsweise bei den Themen Individualisierung, Identität und Persönlichkeit sowie Entwicklung und Sozialisation (v. a. in Pädagogik/Psychologie), aber auch bei allen Prozessen und Folgen gesellschaftlichen Wandels, sozialer Ungleichheit und der Thematik Migration und Interkulturalität (v. a. in Sozialkunde).

Alle Themenfelder erlauben es und machen es wünschenswert, Sichtweisen und Erkenntnisse aus verschiedenen Fächern zu vergleichen und zu verknüpfen. Zusätzlich bieten sich Inhalte zur fächerübergreifenden Projektarbeit an. Viele Themen fordern multiperspektivische Zugänge und eignen sich deshalb gut, um Impulse sowohl für fächerübergreifende als auch außerunterrichtliche Vorhaben im Rahmen eines lebendigen Schullebens zu geben.

Der Lehrplan eröffnet den Lehrkräften in einzelnen Bereichen große inhaltliche Freiräume, sodass schul- und klassenspezifisch individuell auf die jeweiligen Gegebenheiten eingegangen werden kann. Die Kollegen sind hier ausdrücklich dazu ermutigt, bei entsprechenden Inhalten den Kontakt zu anderen Fächern zu suchen und interdisziplinär zu arbeiten.

5 Beitrag des Faches Soziologie zu den übergreifenden Bildungs- und Erziehungszielen
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Aus den schulart- und fächerübergreifenden Bildungs- und Erziehungszielen werden im Fach Soziologie schwerpunktmäßig folgende Ziele angestrebt:

Soziales Lernen
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Zum Erwerb sozialer Kompetenz im Sinne von Selbstverwirklichung bei gleichzeitiger Berücksichtigung der Interessen anderer entwickeln die Schülerinnen und Schüler Verständnis für die Bedeutung der jeweiligen Handlungssituation, des Kontextes und der unterschiedlichen Perspektiven der Beteiligten. Sie werden bereit, Wertevielfalt zu schätzen, Vorurteile zu überwinden und Respekt für andere zu zeigen.

Werteerziehung
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Die Schülerinnen und Schüler setzen sich reflektierend mit Werten, Normen und Vorbildern und deren Einfluss auf das eigene Handeln auseinander und gelangen so zu ethisch begründeten Orientierungsmaßstäben für ihr Handeln. Der Respekt vor unterschiedlichen Überzeugungen ermöglicht ihnen dabei einen toleranten Umgang in einer pluralistischen Gesellschaft und dient als Maßstab für das persönliche Handeln sowie die Teilhabe am politischen und gesellschaftlichen Leben.

Politische Bildung
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Die Rahmenbedingungen, die die Politik für den Einzelnen und alle Akteure in sozialen Zusammenhängen setzt, sind häufig entscheidend für deren Spielräume und Effizienz. Die Schülerinnen und Schüler vergegenwärtigen sich diese Rolle der Politik, die auf den im Grundgesetz formulierten Werten gründet, erwerben dabei aber auch Einsichten in politische, wirtschaftliche und soziale Voraussetzungen und Abhängigkeiten und folgern die Notwendigkeit, die Politik selbst mitzugestalten. Sie achten und schätzen den Wert der Freiheit und der Menschenrechte, treten ein gegen soziale Missstände und Ungerechtigkeiten.

Familien- und Sexualerziehung
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Durch die reflektierte Auseinandersetzung mit Familie und Peergroup als Sozialisationsinstanzen sowie durch eine Erziehung hin zu einem kritischen Umgang mit Medien und verschiedenen Aspekten der Informationsgesellschaft erkennen die Schülerinnen und Schüler den Wert zuverlässiger und von gegenseitigem Respekt getragener persönlicher Beziehungen. In diesem Zusammenhang lernen sie auch die Bedeutung unterschiedlicher Rollenbilder einzuschätzen, um sich deren Möglichkeiten und Herausforderungen für die eigene Entwicklung bewusst zu machen und angemessen zu reagieren.

Gesundheitsbildung
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Gesundheit gründet gemäß der Definition der Weltgesundheitsorganisation (World Health Organisation: WHO) auf körperlichem, geistigem und sozialem Wohlbefinden. Durch Verständnis für soziale Prozesse wird auch die Erfahrung der Schülerinnen und Schüler gestärkt, durch eigenes Handeln Selbstverwirklichung und produktive Anpassung vereinbaren zu können.

Interkulturelle Bildung
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Gesellschaftliche Veränderungen machen die Beschäftigung mit soziokultureller Heterogenität und den damit verbundenen Herausforderungen und Chancen besonders bedeutsam. Die Schülerinnen und Schüler nehmen soziale Systeme als interkulturelle Begegnungsorte wahr. Dabei entwickeln sie kultursensible Verhaltensweisen und ein Bewusstsein von einem tolerantem Zusammenleben sowie den Möglichkeiten einer gegenseitigen Bereicherung. Sie akzeptieren andere in ihrer kulturellen Eigenart und gehen einfühlsam und respektvoll mit Unterschieden um. Sie erschließen die Bedeutung sozialer Identität sowie Einflüsse auf deren Veränderung.

Medienbildung/Digitale Bildung
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Die Schülerinnen und Schüler werden sich der Bedeutung von Medien für die eigene soziale Identität bewusst, sei es durch Vorbilder oder auch eigene Bindungen in sozialen Netzwerken. Sie nutzen traditionelle und neue Medien sicher, kriteriengeleitet und kritisch bei der Informationsbeschaffung wie auch bei schulisch bedingten oder privaten sozialen Kontakten.

Bildung für Nachhaltige Entwicklung (Umweltbildung, Globales Lernen)
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Die Schülerinnen und Schüler entwickeln aus der Erkenntnis gesellschaftlicher Strukturen und Veränderungen Kompetenzen, die sie befähigen, die Bedeutung nachhaltigen Handelns zu erkennen, zu bewerten und sich in ihrem Handeln danach zu richten. In besonderer Weise bilden Themen wie gesellschaftliche Rahmenbedingungen für ethische Grundfragen die Basis für den Erwerb dieser Kompetenzen.

Ökonomische Verbraucherbildung
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Durch die Analyse und Hinterfragung der Bedeutung von Sozialisations- und Situationsbedingungen für den Umgang mit Konsummöglichkeiten, mit modernen Kommunikationsmedien sowie dem zunehmenden medialen Druck entwickeln die Schülerinnen und Schüler verantwortungsvolles und wertorientiertes Konsumhandeln, u. a. bezogen auf Freizeitgestaltung, Mediennutzung sowie nachhaltiges Handeln.

Berufliche Orientierung
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Die Abgrenzung soziologischer von bereits bekannten pädagogischen und psychologischen Gegenstandsbereichen weitet den Blick der Schülerinnen und Schüler auf berufliche Möglichkeiten und regt zur Auseinandersetzung mit der eigenen Studien- und Berufsorientierung an.