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Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung München

Ethik

1.1 Aufgabe und Bedeutung des Faches
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Das Fach Ethik will den Schülerinnen und Schülern eine Orientierungshilfe bei Fragen und Problemen aus ihrem unmittelbaren Erfahrungsbereich in Alltag, Familie und Schule geben. Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf im Bereich körperlich-motorische Entwicklung (kmE) haben dabei grundsätzlich das gleiche Bedürfnis nach Halt und Orientierung, verfügen jedoch aufgrund ihrer körperlichen Situation über einen anderen Erlebnis- und Erfahrungshintergrund.

In diesem Zusammenhang kann das Fach auch einen wichtigen Beitrag zur Auseinandersetzung mit der eigenen Behinderung der Schülerinnen und Schüler leisten und damit einhergehenden Belastungsmomente, Kompensationsmöglichkeiten und Unterstützungsangebote reflektieren. Im Lauf der Schulzeit weitet sich der Blick auf größere Zusammenhänge und gesellschaftliche und globale ethische Probleme und Antworten. Für den Unterricht mit körperbehinderten Schülerinnen und Schülern spielen diesbezüglich etwa soziale Zuschreibungsprozesse oder die Frage nach Partizipationsmöglichkeiten und Inklusion eine wichtige Rolle.

Dabei hat das Fach im Fächerkanon des Förderzentrums die Aufgabe, die Schülerinnen und Schüler bei ihrer Suche nach eigenen Lebenszielen und dem damit verbundenen Zurechtfinden in der Gesellschaft zu unterstützen. Die individuelle Entfaltung der Persönlichkeit soll im Bewusstsein sozialer Bindungen auf der Grundlage von Wertmaßstäben gefördert werden, die einer pluralistischen Gesellschaftsordnung entsprechen. Indem das Fach Ethik die Schülerinnen und Schüler zu „werteinsichtigem Urteilen und Handeln“ (Art. 47 BayEUG) befähigt, leistet es einen wesentlichen gesellschaftlichen Beitrag zu einem Miteinander auf der Grundlage gesellschaftlich anerkannter Wertvorstellungen. Gleichzeitig schafft es damit eine wichtige Voraussetzung für ein gelingendes Leben des Einzelnen.

Für Schülerinnen und Schüler, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen, ist der Ethikunterricht Pflichtfach (Art. 47 Abs.1 BayEUG). Er orientiert sich in seiner grundlegenden Zielsetzung an den sittlichen Grundsätzen, wie sie in der Verfassung des Freistaates Bayern und im Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland niedergelegt sind. Im Übrigen berücksichtigt er die Pluralität der Bekenntnisse und Weltanschauungen. Insbesondere orientiert er sich bezüglich seiner inhaltlichen Rahmenbedingungen an den Aussagen der Bayerischen Verfassung in Artikel 131 und den Festlegungen des Grundrechtekatalogs im Grundgesetz. Die Erziehung zu Toleranz, Selbstbeherrschung und Achtung der Überzeugungen der Andersdenkenden sowie zur Übernahme von Verantwortung sind weitere Beispiele dieser Orientierung. Die Achtung vor der Würde des Menschen ist unverzichtbare Grundlage des Ethikunterrichts, der auf diese Weise auch einen Beitrag zur Gewissensbildung der Schülerinnen und Schüler leistet.

1.2 Selbstverständnis des Faches
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Im Mittelpunkt des Ethikunterrichts stehen die Schülerinnen und Schüler als Personen, die über sich selbst und ihre eigenen Werte nachdenken, die bewusst handeln und ihr Leben verantwortlich führen. In diesem Sinne zielt das Fach bereits in der Grundschulstufe auf die Entwicklung einer reflektierten, von Vernunft geleiteten Persönlichkeit, die selbständig überlegt und handelt, die eigene Haltungen und Denkmuster kritisch infrage stellt und die sich der Bedeutung des Mitmenschen und der Mitwelt bewusst ist. Ein besonderer Stellenwert kommt dabei den vielfältigen Möglichkeiten eines altersgemäßen Philosophierens zu.

Die Schülerinnen und Schüler erleben in der Mittelschulstufe wichtige Phasen ihrer Persönlichkeitsentwicklung. Die Suche nach Selbstfindung und das Streben nach größerer Unabhängigkeit führen häufig zur Ablösung von bisher vertrauten und anerkannten Autoritäten. Eine besondere Herausforderung stellen Abhängigkeiten im Bereich der Pflege und Sexualität dar. Der Ethikunterricht stellt sich dieser Thematik, indem er gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern sowie den näheren Bezugspersonen individuelle Lösungsmöglichkeiten entwickelt.

Im Ethikunterricht lernen die Schülerinnen und Schüler, ihre eigenen Wünsche nach individueller Entfaltung nicht isoliert zu sehen. Sie erkennen in der Auseinandersetzung mit eigenen Bedürfnissen und Haltungen die Bedeutung von Werten und Normen, die einem menschlichen und solidarischen Zusammenleben förderlich sind. Indem der Ethikunterricht die Schülerinnen und Schüler dazu anleitet, sich selbst und ihre Mitmenschen bewusst wahrzunehmen, fördert er nicht nur die Entwicklung des eigenen Selbstbewusstseins und Selbstwertgefühls, sondern ebenso das Bewusstsein für die Würde des anderen und die Achtung gegenüber dessen Bedürfnissen und berechtigten Ansprüchen. Dabei spielt auch der Respekt für das Selbstbestimmungsrecht und die Selbständigkeit von Menschen mit Behinderung eine Rolle.

1.3 Beitrag des Faches zur Bildung
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Gemeinsames Lernen von Schülerinnen und Schülern, die aus verschiedenen Kulturkreisen stammen, soll dem Einzelnen die Chance eröffnen, seine eigenen kulturellen Wurzeln zu erkennen und unter Achtung der Überzeugung der anderen Verantwortung für das Zusammenleben der Menschen zu übernehmen. Die Schülerinnen und Schüler erwerben deshalb auch Kenntnisse über wichtige Wertvorstellungen in verschiedenen Kulturen und über die Religionen, die diese Kulturen prägen. Der Ethikunterricht legt damit eine wesentliche Grundlage für ein von Wertschätzung und Toleranz geprägtes Miteinander von Menschen unterschiedlicher Herkunft und Glaubensvorstellungen. Er will den Schülerinnen und Schülern Gewaltlosigkeit als unverzichtbares Prinzip für die Bewältigung von Meinungsverschiedenheiten und von Konflikten vermitteln und sie befähigen, mit Herausforderungen, die sich ihnen in diesem Zusammenhang stellen, entsprechend umzugehen.

Ethische Fragen, die sich aus dem Verhältnis des Menschen zur Natur, aus seinem Umgang mit technischen Errungenschaften und aus dem Leben in einer globalisierten Welt ergeben, sind mit Herausforderungen verbunden, die ein reflektiertes und verantwortungsbewusstes Handeln des Einzelnen erfordern. Der Ethikunterricht leistet hier einen wesentlichen Beitrag, indem er ein Bewusstsein für den Zusammenhang zwischen dem eigenen Handeln bzw. Verhalten und den Problemen der modernen Welt schafft und bei den Schülerinnen und Schülern Möglichkeiten zur Problembewältigung entwickelt.

2.1 Kompetenzstrukturmodell
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Kompetenzstrukturmodell Ethik

Im Kompetenzstrukturmodell für das Fach Ethik sind die Gegenstandsbereiche mit den ethischen Leitbegriffen Werte, Normen, Moral und Sinn verbunden, wodurch der spezifische Charakter des Faches sichtbar wird.  Die prozessbezogenen Kompetenzen, die in Ethik gefördert werden, gliedern sich in die vier Bereiche erkennen und verstehen, überlegen und urteilen, einfühlen und Anteil nehmen und ethisch handeln und kommunizieren, wobei Kompetenzen eines Bereichs solche eines anderen voraussetzen bzw. einschließen oder ergänzen können.

Das Kompetenzstrukturmodell des Faches Ethik erhält eine Erweiterung durch die vier Entwicklungsbereiche Motorik und Wahrnehmung, Denken und Lernstrategien, Kommunikation und Sprache sowie Emotionen und soziales Handeln, deren Zusammenwirken erfolgreiche Lernprozesse ermöglicht. Die persönlichen Ressourcen in den Entwicklungsbereichen sind die Grundlage für die Planung und Gestaltung von Lernsituationen. Dadurch ergeben sich Hinweise und Impulse für die kriterienorientierte Schülerbeobachtung und für die Feststellung des individuellen Entwicklungsstandes.

Erkennen und verstehen
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Diese kognitive prozessbezogene Kompetenz befähigt dazu, ethisch bedeutsame Dinge, Sachverhalte und Herausforderungen im Leben und Zusammenleben gedanklich zu durchdringen oder sich zu vergegenwärtigen.

Einfühlen und Anteil nehmen
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Diese Kompetenz steht für die verschiedenen Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler, ihren Mitmenschen mit seinen Bedürfnissen bewusst wahrnehmen und darauf angemessen reagieren zu können. In diesem Zusammenhang spielt die Einübung von Perspektivenwechseln eine wichtige Rolle. Die Schülerinnen und Schüler sollen nicht nur die eigene Position bezüglich eines Themas formulieren können, sondern sich auch die emotionalen Konsequenzen für eine fremde handelnde Person vorstellen und ausdrücken können.

Überlegen und urteilen
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Überlegen und urteilen umfasst alle geistigen Fähigkeiten und Fertigkeiten, die es den Schülerinnen und Schülern ermöglichen, sich Problemen eigenständig reflektierend, wertend und urteilend zu stellen und konstruktive Lösungswege aufzuzeigen. Konfrontiert mit vielfältigen, auch gegensätzlichen Ansichten, Ideen und Lebensbildern sollen die Schülerinnen und Schüler verschiedenartige Entscheidungsmöglichkeiten erkennen, gegeneinander abwägen und versuchen, sich begründete, eigenständige Meinungen zu bilden.

Ethisch handeln und kommunizieren
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Ethisch handeln und kommunizieren beinhaltet Kompetenzen, mit denen die Schülerinnen und Schüler konkrete ethische Herausforderungen in altersgemäßer Weise in Wort und Tat verantwortlich bewältigen.

Menschsein
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Menschsein artikuliert sich insbesondere in der Beschäftigung der Schülerinnen und Schüler mit ihren Fähigkeiten, Wünschen und Gedanken und den verschiedenen Möglichkeiten, ihr Leben zu führen und selbst zu gestalten. Schülerinnen und Schülern mit einer Körperbehinderung eröffnet der Gegenstandsbereich in vielfältiger Form einen Raum, sich mit ihren individuellen und ggf. besonderen Bedürfnissen zu beschäftigen, die in vielen Fällen über die Belange von Kindern und Jugendlichen ohne Behinderung hinausgehen.

Zusammenleben
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Der Gegenstandsbereich Zusammenleben bildet im besonderen Maße den Rahmen zur Entwicklung vielfältiger sozialer Kompetenzen, wie sie z. B. in Familie, Freundschaft und Partnerschaft zum Tragen kommen. Schülerinnen und Schüler am Förderzentrum mit dem Förderschwerpunkt körperlich-motorische Entwicklung bauen zudem teils sehr intensive Beziehungen zu weiteren pädagogischen, pflegerischen und therapeutischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern am Förderzentrum auf.

Religion und Kultur
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Dieser Gegenstandsbereich entwickelt ethische Kompetenzen in der Auseinandersetzung mit den Wertvorstellungen verschiedener Kulturen und der sie prägenden Religionen und befähigt dazu, das eigene Welt- und Menschenbild zu überprüfen, zu erweitern und zu festigen.

Die moderne Welt
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Der Gegenstandsbereich die moderne Welt trägt dem Umstand Rechnung, dass mit den technischen Errungenschaften, welche die menschliche Zivilisation seit mehr als 150 Jahren in immer neuer Form prägen, neuartige ethische Herausforderungen entstanden sind. Aufgrund der Barrierefreiheit bieten virtuelle Welten gerade für Menschen mit Körperbehinderung enorme Chancen. Auf der anderen Seite rücken aber gerade deshalb auch die Risiken im Umgang mit dem Cyberspace in den Vordergrund. 

2.4 Die Leitbegriffe des Faches Ethik
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Der Unterricht im Fach Ethik bezieht sich in unterschiedlicher Weise immer auf Moral und Normen, Werte und Sinn. Im Mittelpunkt der Beschäftigung mit den verschiedenen Gegenstandsbereichen in Ethik steht oft die Frage nach einem moralisch vertretbaren Handeln, also danach, was ein richtiges von einem falschen Handeln unterscheidet. Die Schülerinnen und Schüler setzen sich darüber hinaus regelmäßig damit auseinander, welche Bedeutung bestimmte Normen und Werte für unsere Haltungen und unser Verhalten haben. Und schließlich stellt sich im Ethikunterricht die zentrale Frage nach dem Sinn des menschlichen Lebens. Die Schülerinnen und Schüler erfassen in altersgemäßer Weise die Tragweite dieser Frage für das eigene Handeln und Planen.

Motorik und Wahrnehmung
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Eine veränderte Motorik und veränderte Wahrnehmung hat einen veränderten Erlebnis- und Erfahrungsraum zur Folge und somit entstehen andere Voraussetzungen für das Fach Ethik. Eine veränderte Motorik als das Fremdartige kann zum Ausgangspunkt gemeinsamen Philosophierens genutzt werden. In der Grundschulstufe geschieht dies im Sinne des Staunens über Phänomene. Kindern und Jugendlichen mit einer Körperbehinderung fällt es nicht immer leicht, sich mit ihrer Körperlichkeit auseinanderzusetzen und notwendige Hilfsmittel anzunehmen. Allerdings muss dies als wichtige Herausforderung begriffen werden, die Schülerinnen und Schüler mit einer Körperbehinderung im Rahmen des Heranwachsens bewältigen sollten. Das Fach Ethik kann hierzu einen wichtigen Beitrag leisten. Bereits in der Grundschulstufe ist vorgesehen, dass sich die Schülerinnen und Schüler mit ihrer Person beschäftigen und etwa ihre persönlichen Merkmale beschreiben. Hier können beispielsweise der Rollstuhl oder eine Gehhilfe genauso als äußeres Merkmal beschrieben werden wie eine Brille oder Lieblingshose. Jugendliche könnten sich darauf aufbauend im Rahmen der Auseinandersetzung mit dem eigenen Ich auch tiefergreifend mit eigenen Stärken und Schwächen beschäftigen und dabei auch spezifisch behinderungsbedingte Aspekte, wie Wahrnehmungs- oder Teilleistungsstörungen, beleuchten.

Die Verarbeitung der eigenen Behinderung als existenzieller Moment sollte als Prozess auf sehr individuelle, geplante und einfühlsame Weise sowie in Absprache mit dem interdisziplinären Team und den Erziehungsberechtigten begleitet werden. Auf diese Weise kann der Ethikunterricht dazu beitragen, dass sich die Schülerinnen und Schüler am Förderzentrum mit dem Förderschwerpunkt körperlich-motorische Entwicklung auch mit persönlichen, körperlich-motorischen Grenzen befassen und diese lernen zu akzeptieren.

Denken und Lernstrategien
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Abhängig von verschiedenen Behinderungsformen sind bei Schülerinnen und Schülern mit Körperbehinderung oftmals mehr oder weniger typische Denkweisen und Phänomene beim Lernen beobachtbar. Dazu können beispielsweise eine Verlangsamungen in der Reiz-Reaktionsgeschwindigkeit oder Perseverationstendenzen zählen. Anders als ihre Altersgenossen müssen sich körperbehinderte Kinder und Jugendliche in vielen Fällen etwa wegen eines Tremors oder einer veränderten Muskelspannung, wegen therapeutischer Notwendigkeiten oder orthopädietechnischer Anpassungen und teilweise sogar wegen Schmerzen auf ihren Körper konzentrieren. Damit geht ihnen oftmals Aufmerksamkeit zuungunsten des schulischen Lernens und Denkens verloren.

Im Ethikunterricht unterstützen spezifische Rituale und routinierte Abläufe das Denken und können die Schülerinnen und Schüler etwa beim Philosophieren in kognitiver Hinsicht entlasten. Der Ethikunterricht wirft Fragen auf, die als Ausgangspunkt zum gemeinsamen Philosophieren dienen können. Fragen können das Denken gliedern und unterstützen. Ritualisiert erwerben die Schülerinnen und Schüler über die Jahre hinweg eine Sammlung von Arbeitstechniken, um sich auch mit abstrakten, moralisch-ethischen Fragen zu befassen. Auf diese Weise wirkt der Ethikunterricht mit, die Schülerinnen und Schüler beim Ausbau abstrakter Konzepte und dem Verständnis von komplexen Wertvorstellungen, Zusammenhängen und  Begriffen zu fördern.

Kommunikation und Sprache
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Förderbedürfnisse in der körperlichen und motorischen Entwicklung gehen oft einher mit Besonderheiten in der Sprache und Kommunikation. So setzen einige Schülerinnen und Schüler am Förderzentrum mit dem Förderschwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung Sprachausgabegeräte zur Kommunikation ein. Andere Schülerinnen und Schüler verfügen über eine eigene Verbalsprache aber sprechen beispielsweise weniger verständlich, verlangsamt oder müssen mehr Aufmerksamkeit und Energie für das Sprechen aufbringen.

In sprachlicher Hinsicht sind außerdem semantisch-lexikale Besonderheiten zu nennen. Schülerinnen und Schülern mit einer körperlichen Beeinträchtigung fällt es nicht immer leicht, sich mit ihrer eigenen Person auseinanderzusetzen und einen Zugang zur eigenen Gefühlswelt zu finden. Schülerinnen und Schüler hinterfragen eigene erworbene Sprachkonzepte, überprüfen ob der Begriff dem Inhalt entspricht. Gerade wenn man davon ausgeht, dass sie aufgrund des Erfahrungsdefizits über inhaltsleere Begrifflichkeiten verfügen.

Weiter hat das Philosophieren im Rahmen des Ethikunterrichts eine besondere Bedeutung. Auf altersangemessene Weise tauschen sich die Schülerinnen und Schüler über ihre Vorstellungen und moralische Grundsätze aus und wenden dabei die erarbeiteten sprachlichen Konzepte sachlogisch an. Schüler mit Problemen in der Verbalsprache wenden hierfür routiniert Techniken an, um die Kommunikation mit ihren Mitschülern zu meistern. Andere Schüler nutzen unterstützende oder alternative Kommunikationsformen, wie Talker, Tablets etc.

Emotionen und soziales Handeln
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Der Ethikunterricht fördert die Schülerinnen und Schüler darin, Konzepte von Emotionen und Werten auszubauen und im Rahmen des Unterrichts immer wieder anzuwenden.  So sollen die Schüler in Kommunikation über emotionale Inhalte treten und ihre Wünsche, Bedürfnisse, Wertvorstellungen und soziale Regeln ausdrücken lernen. Auf diese Weise werden die Schüler dazu befähigt, Konflikte möglichst gewinnbringen verbal austragen zu können.

Viele Schülerinnen und Schüler mit Körperbehinderung sind in ihrem Alltag auf Hilfe und Unterstützung angewiesen. Für viele sind Hilfestellungen alltäglich und gelten als normal. Im Ethikunterricht wird die Bedeutung von Hilfe und Hilfsbereitschaft thematisiert. Dadurch begreifen die Schülerinnen und Schüler auch die Vorteile gegenseitiger Hilfe. Sie lernen die Hilfe Gleichaltriger anzunehmen und sich im Umgang mit ihren Mitschülern aufmerksam und hilfsbereit zu verhalten. Gleichzeitig werden Formen des angemessenen Umgangs miteinander thematisiert. So erkennen die Schülerinnen und Schüler die Notwendigkeit, mit Pflege- und Assistenzkräften freundlich umzugehen. Mit zunehmendem Alter begreifen die Schülerinnen und Schüler, dass sie sich in Bezug auf ihren Unterstützungsbedarf in einem Spannungsverhältnis zwischen Abhängigkeit und Streben nach Autonomie, zwischen Nähe und Distanz befinden.

Menschen mit Behinderung können im Zusammenhang mit ihrer Einschränkung aber auch weitere Belastungsmomente, wie anstehende Operationen, eingeschränkte Handlungsfähigkeit, Schmerzen, Angewiesensein auf Hilfsmittel und Assistenzen, Enttäuschung von beruflichen Wünschen und persönlichen Vorstellungen, erfahren. Der Ethikunterricht kann den Schülerinnen und Schülern in der Bewältigung solcher Belastungen helfen, indem er Raum für emotionale Inhalte bietet und Möglichkeiten aufzeigt, mit intensiven Gefühlen umzugehen. Schülerinnen und Schüler mit Muskelerkrankungen sind beispielsweise in ihren Möglichkeiten, mit Wut umzugehen, sehr eingeschränkt. Mit ihnen können alternative Wege zur Kompensation zu entwickelt werden.

Im Weiteren stehen im Ethikunterricht Vorstellungen vom eigenen Leben genauso wie die Vielfalt menschlichen Lebens immer wieder im Mittelpunkt. Am Förderzentrum mit dem Förderschwerpunkt körperlich-motorische Entwicklung muss das Fach an dieser Stelle spezifische Akzente setzen und immer wieder die Situation von Menschen mit Behinderung beleuchten. So werden beispielsweise persönliche Erfahrungen mit der eigenen Behinderung sowie Reaktionen der Umwelt besprochen. In höheren Jahrgangsstufen werden soziale Zuschreibungsprozesse, wie Etikettierung und Stigmatisierung, reflektiert. Auf diese Weise kann der Ethikunterricht die Identitätsentwicklung körperbehinderter Schülerinnen und Schüler fördern.

Grundsätzlich wird dabei aber in pädagogischer Verantwortung abzuwägen sein, ob und in welcher Form sensible Themen im Rahmen des gemeinsamen Unterrichts angesprochen werden dürfen. Gerade in den Jahrgangsstufen 3 und 4 bzw. 9 ist beim Thema Leben, Tod und Krankheit sehr genau zu prüfen, ob das Thema überhaupt im Rahmen des Unterrichts aufgegriffen werden kann. Schülerinnen und Schüler mit einer progredienten Krankheit sollten sich auf sehr individuelle Weise ihrer Krankheit und Prognose annähern dürfen und keinesfalls im Rahmen gemeinsamen Unterrichts zur Auseinandersetzung damit gezwungen werden. Die Herausforderung, diese Schülergruppe an dieses sehr sensible Thema heranzuführen, erfordert eine ganze Reihe von grundlegenden Absprachen und ein interdisziplinäres, individualisiertes und mit den Erziehungsberechtigten abgestimmtes Vorgehen.

3 Aufbau des Fachlehrplans im Fach Ethik
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Die entwicklungsbezogenen Kompetenzen in den Bereichen Motorik und Wahrnehmung, Denken und Lernstrategien, Kommunikation und Sprache sowie Emotionen und soziales Handeln bilden die Grundlage für den individuellen Kompetenzerwerb im Fach Ethik.

Von den Gegenstandsbereichen des Kompetenzstrukturmodells leiten sich im Fachlehrplan die einzelnen Lernbereiche ab. Die Lernbereiche beziehen sich auf die schulische und außerschulische Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler:

  • Menschsein
  • Zusammenleben
  • Religion und Kultur
  • Die moderne Welt

Grundsätzlich können die Lernbereiche unabhängig von einer chronologischen Ordnung erarbeitet werden, wobei die Kompetenzerwartungen innerhalb der Lernbereiche aufeinander aufbauen sollen. Die Progression wird im Fach Ethik über eine thematische Ausweitung bei der Beschäftigung mit den Gegenstandsbereichen abgebildet. Über die Jahrgangsstufen hinweg ist ein Fortschreiten vom nahen Lebensumfeld der Schülerinnen und Schüler hin zu einer gesellschaftlichen und globalen Betrachtungsweise und vom Anschaulich-Konkreten zum Abstrakteren impliziert.

4 Zusammenarbeit mit anderen Fächern
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Der Ethikunterricht stellt die Fragen nach dem Menschen und seinem Leben im Sinn eines ganzheitlichen Verständnisses und stützt sich daher vielfach inhaltlich auf einen fächerverbindenden Ansatz. Die Beschäftigung mit Themen wie Nachhaltigkeit, Medien oder Partnerschaft geben Gelegenheit zu einer fächerübergreifenden Zusammenarbeit mit Deutsch, Heimat- und Sachunterricht, Natur und Technik, Geschichte/Politik/Geographie sowie Wirtschaft und Beruf.

Eine Verbindung zum Deutschunterricht und dessen Kompetenzerwartungen ergibt sich im Ethikunterricht auch aus der Förderung vielfältiger sprachlicher Fähigkeiten bis zur Anbahnung eines philosophischen Dialogs: So sollen die Schülerinnen und Schüler eigene Gedanken verständlich und begrifflich differenziert ausdrücken, in Diskussionen Argumente austauschen und Texte verstehen und interpretieren. Durch einen sprachsensiblen und die Fachsprache entwickelnden Unterricht werden für mehrsprachige Schülerinnen und Schüler die sprachlichen Voraussetzungen für gelingendes Leben und erfolgreichen Kompetenzerwerb geschaffen.

Im Nachdenken insbesondere über Fragen der Religion, aber z. B. auch der Familien- und Sexualerziehung besteht eine Parallele zum konfessionellen Religionsunterricht. Daher ist ein Austausch mit den Lehrkräften für Katholische bzw. Evangelische Religionslehre wünschenswert, nicht zuletzt im Hinblick auf eine interkulturelle Verständigung unter den Schülerinnen und Schülern.

Die Beschäftigung mit Themen der Umweltgefährdung, des Naturschutzes, der Nachhaltigkeit, des Nutzens moderner Medien oder aus dem Bereich des Brauchtums legt ein fächerverbindendes Lernen mit den Sachfächern nahe. Nicht zuletzt ergeben sich Verbindungen zu den Fächern Kunst und Musik, wenn es um die kreative Darstellung der Inhalte geht.

5 Beitrag des Faches Ethik zu den übergreifenden Bildungs- und Erziehungszielen
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Das Fach Ethik steht in enger Verbindung mit vielen der fächer- und schulartübergreifenden Bildungs- und Erziehungsziele.

5.1 Werteerziehung
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Im Nachdenken darüber, wie eigene Werthaltungen das Handeln und Verhalten bestimmen, erweist sich die Werteerziehung als eine wesentliche Grundlage des Ethikunterrichts.

5.2 Soziales Lernen
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Eine besondere Bedeutung hat im Ethikunterricht das Soziale Lernen. Hier finden sich übergreifende Berührungspunkte zu dem Gegenstandsbereich Zusammenleben, indem die Schülerinnen und Schüler u. a. lernen, achtsam und respektvoll miteinander umzugehen oder personelle Unterstützung höflich einzuholen.

5.3 Politische Bildung
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Eng verbunden mit dem Sozialen Lernen ist die Dimension der Politischen Bildung, die sich in den vielfältigen Ansätzen einer Demokratie- und Friedenserziehung im Ethikunterricht widerspiegelt.

5.4 Kulturelle Bildung und Interkulturelle Bildung
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Kulturelle Bildung und Interkulturelle Bildung findet im Ethikunterricht immer dann statt, wenn die Vielfalt von Brauchtum und Kultur sowie Religionen und Glaubensbekenntnisse als deren Vermittlungsinstanzen in den Blick geraten.

5.5 Familien- und Sexualerziehung
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Ein gelingendes Leben in Familie und Partnerschaft wird im Ethikunterricht insbesondere im Hinblick auf konstruktive Kommunikation, die Wahrnehmung von Gefühlen und Bedürfnissen sowie die Bedingungen beim Vorliegen einer körperlichen Einschränkung thematisiert.

5.6 Bildung für Nachhaltige Entwicklung (Umweltbildung, Globales Lernen)
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Der Ethikunterricht fördert im besonderen Maße die Bildung für Nachhaltige Entwicklung, wenn er die Schülerinnen und Schüler dazu befähigt, sich in altersgemäßer Weise kritisch mit den Fragen des eigenen Umwelt- und Konsumverhaltens und des Natur- und Tierschutzes auseinanderzusetzen.

5.7 Berufliche Orientierung
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Der Ethikunterricht gibt den Schülerinnen und Schülern Gelegenheit, ihre persönlichen Stärken und moralische Fragen der Arbeitswelt zu reflektieren, was sie in ihrer Beruflichen Orientierung unterstützt.