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Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung München

Ästhetische Bildung

1 Selbstverständnis des Faches Ästhetische Bildung und sein Beitrag zur Bildung
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In der Bildung blinder und sehbehinderter Schülerinnen und Schüler geht Ästhetische Bildung über die Beschränkung auf ein Fach hinaus und wird als pädagogisches Prinzip verstanden, das grundsätzlich in alle Lernprozesse integrierbar ist. Die Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf im Bereich Sehen werden in ihrer sinnlichen Wahrnehmung ganzheitlich angesprochen und zur Entfaltung all ihrer schöpferischen Möglichkeiten und Fähigkeiten befähigt. Schwerpunkte bilden die Differenzierung der Wahrnehmung, selbständiges, kreatives Gestalten und Darstellen von Vorstellungen, Gedanken und Gefühlen sowie die Vermittlung elementarer praktischer Fertigkeiten. Durch eine sachgerechte Auswahl und Verarbeitung verschiedenster Materialien sammeln die Schülerinnen und Schüler in handelnder, sinnennaher Weise Grunderfahrungen im Umgang mit verschiedenen Farben und Formen und Tastqualitäten und bauen räumliche Vorstellungen auf.

Blinde und (hochgradig) sehbehinderte Schülerinnen und Schüler erwerben durch systematisches Einüben die sichere Anwendung von Grundtechniken und Arbeitsweisen, wie z.B. Schneiden, Kleben oder Fädeln, und nutzen diese, um ihre Wahrnehmungsfähigkeiten zu erweitern, ihre haptische Wahrnehmung und Handgeschicklichkeit zu verfeinern und die Handmuskulatur zu stärken. Sie führen Arbeiten zunehmend planvoll aus und übertragen ihre Fähigkeiten auf die selbständige Bewältigung des Alltags. Eine enge Verknüpfung des Kompetenzerwerbs mit dem Training für lebenspraktische Fertigkeiten ist empfehlenswert.

Die Schülerinnen und Schüler bauen aufgrund zahlreicher Erfahrungen ein Urteilsvermögen für ästhetisch-kulturelle Phänomene der Umwelt auf und beschreiben vielfältige Ausdrucksweisen und Erscheinungsformen als eine wesentliche Form menschlicher Kommunikation und Entfaltung sowie als Teil ihres Selbst- und Weltverständnisses. Im Fach Ästhetische Bildung erweitern die Schülerinnen und Schüler ihre kommunikativen und sozialen Kompetenzen, die sie zu einer gelingenden Lebensbewältigung befähigen. Auch im Hinblick auf ihre spätere Berufsorientierung wenden Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf im Bereich Sehen erworbene Kenntnisse und Fähigkeiten in den Bereichen Kreativität und Flexibilität an, um z.B. Berufsfindungsprozesse zu gestalten. Sie setzen ihre Kompetenzen auch zu einer adäquaten Selbsteinschätzung eigener Stärken und Schwächen sowie einer aktiven sinnerfüllten Freizeitgestaltung bewusst ein.

Eine Seheinschränkung mit ihren Begleiterscheinungen und Folgen wirkt sich auf ästhetisches Erleben und Erfahren aus. Der individuellen Entwicklung der Schülerinnen und Schüler in Bezug auf Wahrnehmung, Vorstellungs- und Begriffsbildung, Motorik und Lernvoraussetzungen tragen die Inhalte des Fachs Ästhetische Bildung in besonderer Weise Rechnung, wobei auch die Wirksamkeit von Fördermaßnahmen und der Einsatz optischer Hilfsmittel mitbedacht werden. 

Der gesamte Unterricht berücksichtigt die Neigungen, Interessen und Fähigkeiten sowie die individuellen visuellen und taktilen Wahrnehmungsfähigkeiten der Schülerinnen und Schüler, sodass sie die Voraussetzungen finden, ihre individuellen Ausdrucksmöglichkeiten und kreativen Potenziale zu erproben und zu entfalten. Auf die Erlebniswelt und Emotionalität der Schülerinnen und Schüler bezogene Unterrichtsangebote in einem lebendigen, sozial-integrativen Kontext nutzen die Schülerinnen und Schüler, um grundlegende ästhetische Erfahrungen zu sammeln, differenziertes und zugleich ganzheitliches Wahrnehmen zu erleben und sinnliche Eindrücke mit schöpferischen Mitteln auszudrücken und ihre Umwelt mit zu gestalten.

Zum Kompetenzerwerb im Fach Ästhetische Bildung nutzen die Schülerinnen und Schüler vielfältige Aktivitäten kreativer Erfindung und Darstellung sowie Angebote zur Wahrnehmungs- und Bewegungsförderung. Sie verbinden expressives Darstellen und Gestalten bewusst mit dem eigenen körperlichen Erleben und dem eigenen Körperschema. Erfahrungen aus rhythmischen Übungen, aus dem darstellendes Spiel, der Umsetzung von Tanzelementen, aus dem spielerischen Bewegungserleben sowie aus Übungen zur sensorischen Integration und zur Atmung setzen die Schülerinnen und Schüler zum Ausbau und zur Sensibilisierung von Körperbewusstsein und Körperempfindung ein.

Im eigenständigen Gestalten verwenden die Schülerinnen und Schüler eine Vielzahl unterschiedlicher Materialien, Verfahren und Gestaltungsprinzipien, mit denen sie ihrer Fantasie Ausdruck geben. Das Sammeln von Objekten, das Betrachten von Gebrauchsgegenständen und Werken der Kunst lenkt die Aufmerksamkeit blinder und sehbehinderter Schülerinnen und Schüler auf die Vielfalt der Formen und ihren ästhetischen Reichtum und trägt dazu bei, persönliche Wertbeziehungen zur gegenständlichen Welt aufzubauen und eigene Qualitätsmaßstäbe zu entwickeln, die sich ggf. von denen ihrer sehenden Mitmenschen unterscheiden. Auch wenn das Gestalten mit Farbe blinden Schülerinnen und Schülern erschwert ist, wird gemeinsam die Möglichkeit und Wirkung großflächiger farbiger Gestaltungsversuche erprobt und bewertet. Auch blinde Schülerinnen und Schüler verbinden Farbbezeichnungen mit Gefühlsqualitäten und setzen den farbigen kreativen Ausdruck zur Äußerung und Differenzierung von Gefühlen ein.

2.1 Kompetenzstrukturmodell
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Kompetenzstrukturmodell Ästhetische Erziehung

Im profilbildenden Fach Ästhetische Bildung erwerben die Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf im Bereich Sehen Kompetenzen in den einzelnen Entwicklungsbereichen anhand der für sie konzipierten Lernbereiche, sodass auf ein weiteres Ausweisen von Entwicklungsbereichen bzw. auf die Darstellung von entwicklungsbezogenen Kompetenzen verzichtet wird.

Wahrnehmen und analysieren
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Die Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf im Bereich Sehen nehmen verschiedene Darstellungen, Materialen und Werkstücke verstärkt mit unterschiedlichen Sinnen wahr und erkunden sie auf ihre individuelle Weise. Sie erkennen und benennen Zusammenhänge zwischen Material und Funktion eines Werkstückes und analysieren Techniken und Arbeitsprozesse. Diese Kenntnisse nutzen sie zur Vorbereitung und Strukturierung der eigenen Arbeitsplanung.

Herstellen und gestalten
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Das Herstellen bildet für blinde und sehbehinderte Schülerinnen und Schüler einen Schwerpunkt des Faches Ästhetische Bildung. Zu einer Grundidee planen, gestalten und fertigen die Schülerinnen und Schüler eigene Werkstücke. Sie bearbeiten Aufgaben und Angebote, die z.B. in Bezug auf die Anforderungen an die feinmotorischen Fähigkeiten, an die individuellen visuellen und taktilen Wahrnehmungsfähigkeiten der Schülerinnen und Schüler angepasst sind, sodass Gefahren und z.B. auch die Überanstrengung der Augen vermieden werden. Die Schülerinnen und Schüler erleben sich als selbsttätig handelnd und bauen so Motivation und Anstrengungsbereitschaft nachhaltig auf und aus. Sie arbeiten bei Bedarf, zum Beispiel beim Entwerfen eines Werkstückes, mit individueller Unterstützung und nutzen die Möglichkeit, alternativ auch eine eigene tastbare Textur oder Materialkombination umzusetzen.

Imaginieren
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Individuelle bildhafte Vorstellungen sind Teil der kindlichen Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf im Bereich Sehen. Deshalb spielen Bilder aus der eigenen Fantasie eine herausragende Rolle im Bereich des Imaginierens. Die Schülerinnen und Schüler knüpfen bewusst an diese an, um individuelle Ideen zu entwickeln.

Kommunizieren und präsentieren
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Die Präsentation von Werkstücken bietet den Schülerinnen und Schülern Gelegenheit, ihre individuellen künstlerischen Ausdrucksmöglichkeiten darzustellen und ihre Werkstücke zu kommentieren und zu erläutern. Die Schülerinnen und Schüler erklären ihre Vorgehens- und Arbeitsweise und beschreiben ihr Werkstück genau.

Reflektieren und (be-)werten
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Die Schülerinnen und Schüler reflektieren und bewerten, bei Bedarf mit individueller Unterstützung, den Entstehungsprozess und das Ergebnis ihrer Arbeit und würdigen die Ergebnisse ihrer Mitschülerinnen und Mitschüler. Dabei berücksichtigen sie in einer vertrauensvollen und wertschätzenden Atmosphäre gegenseitig ihre individuellen visuellen und taktilen Wahrnehmungsfähigkeiten.

Elementare Fähigkeiten und Fertigkeiten
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Die Inhalte des Gegenstandsbereichs Elementare Fähigkeiten und Fertigkeiten orientieren sich an Techniken, wie z. B. Schneiden, Falten, Papierbearbeitung etc., die die Schülerinnen und Schüler gezielt anwenden, um eigene Gestaltungsideen vielfältig umzusetzen. Diese Techniken bilden die Grundlage für den weiteren Kompetenzerwerb im Fach Ästhetische Bildung. Die Schülerinnen und Schüler erweitern und verfeinern durch den häufigen Einsatz der erlernten Techniken ihre Handgeschicklichkeit sowie ihre feinmotorischen Fähigkeiten.

Materialien
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Die Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf im Bereich Sehen nutzen die intensive und bei Bedarf angeleitete Analyse von Materialen hinsichtlich ihrer Eigenschaften, ihrer Bearbeitungsmöglichkeiten und ihrer Herkunft, um Erfahrungen zu sammeln und grundlegende Kenntnisse in Bezug auf (Alltags-)Materialien zu komplettieren oder zu erweitern.

Gestaltungselemente und Gestaltungsprinzipien
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Dieser Gegenstandsbereich wird ab Jahrgangsstufe 3 explizit bearbeitet.

Im Gegenstandsbereich Gestaltungselemente und Gestaltungprinzipien beschreiben die Schülerinnen und Schüler mit Förderschwerpunkt Sehen individuell relevante Gestaltungselemente (Farbe, Form, Struktur und Textur) und setzen sie gezielt ein. Sie unterschieden elementare Gestaltungsprinzipien (Anordnung, Farbgebung und Proportionen), wenden sie in individuellen Gestaltungsprozessen an und bewerten sie.

Arbeitstechniken und Arbeitsabläufe
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Im Gegenstandsbereich Arbeitstechniken und Arbeitsabläufe wählen die Schülerinnen und Schüler aus angebotenen Materialien die für ein vorgegebenes Werkstück passenden aus. Sie planen, diskutieren und beschreiben in der Gruppe einzelne Arbeitsschritte und Vorgehensweisen und erläutern, ggf. mit Unterstützung, welche Werkzeuge sie benötigen. Sie achten auf eine sorgfältige Vorbereitung des Arbeitsplatzes und dessen Strukturierung. Im Rahmen ihrer Möglichkeiten leisten sie sich gegenseitige Hilfestellung und tauschen sich beratend und wertschätzend aus.

Den Einsatz von unterschiedlichen Medien nutzen die Schülerinnen und Schülern als individuelle Hilfestellung sowie als eine gezielte Möglichkeit, Informationen zu beschaffen und zu bewerten.

Erfahrungswelten
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Der Gegenstandsbereich Erfahrungswelten bezieht sich auf das bewusste Wahrnehmen und Beschreiben real erfahrbarer Umwelt. Die Schülerinnen und Schüler stellen die analysierten Gegenstände oder Personen mithilfe der Anwendung verschiedener Techniken dar.

Fantasiewelten
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Im Gegenstandsbereich Fantasiewelten entnehmen die Schülerinnen und Schüler Anregungen aus Märchen oder Geschichten. Basierend auf eigenen Vorstellungen gestalten die Schülerinnen und Schüler individuelle Werkstücke.

Szenisches Spiel/Selbstwahrnehmung
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(nur in den Jahrgangsstufen 1/2 separat, sonst immanent durchzuführen)

Im Gegenstandsbereich Szenisches Spiel/Selbstwahrnehmung schulen die Schülerinnen und Schüler ihre Körperwahrnehmung, lernen Formen menschlicher Gestik kennen und deuten und experimentieren mit Stimmungen, Verkleidungen und Szenarien.

3 Aufbau des Fachlehrplans im Fach Ästhetische Bildung
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Der Fachlehrplan Ästhetische Bildung ist unterteilt in sieben Lernbereiche:

  • Elementare Fähigkeiten und Fertigkeiten
  • Materialien
  • Gestaltungselemente und Gestaltungsprinzipien
  • Arbeitstechniken und Arbeitsabläufe
  • Erfahrungswelten
  • Fantasiewelten
  • Szenisches Spiel/Selbstwahrnehmung

4 Zusammenarbeit mit anderen Fächern
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Das Fach Ästhetische Bildung erfordert die Zusammenarbeit mit verschiedenen Fächern wie Heimat- und Sachunterricht, Deutsch, Religionslehre und Sport. Enge Verknüpfungen besteehn auch zur Arbeit der Fachdienste und Rehabilitationstrainer, zum Beispiel im Bereich Lebenspraktische Fertigkeiten, und zu Arbeitsgemeinschaften, wie zum Beispiel Theater.

5.1 Bildung für Nachhaltige Entwicklung (Umweltbildung, Globales Lernen)
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Die Schülerinnen und Schüler gehen mit Natur und Umwelt verantwortungsvoll um. Sie verwenden Materialien sparsam und praktizieren einen überlegten Umgang mit Rohstoffen, wie z.B. Wasser, Papier, Holz. Abfälle werden getrennt und ordnungsgemäß entsorgt.

5.2 Kulturelle Bildung
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Die Schülerinnen und Schüler entwickeln ein Bewusstsein für die sie umgebende Kultur. Sie begegnen Kunstwerken, Denkmälern und traditionellen Kulturtechniken und beschäftigen sich damit. Aber auch Alltagsgegenstände und Trendprodukte bieten Anlass zur Auseinandersetzung.

5.3 Interkulturelle Bildung
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Das Fach Ästhetische Bildung bietet Einblicke in andere Kulturen. Durch den wertschätzenden Vergleich handwerklicher und künstlerischer Objekte finden die Schülerinnen und Schüler Zugang zu verschiedenen Kulturen.

5.4 Soziales Lernen
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Das Fach Ästhetische Bildung bietet viel Raum für soziale Erfahrungen und ermöglicht kooperatives Lernen und Handeln. Während des Arbeitsprozesses übernehmen die Schülerinnen und Schüler Verantwortung im Team und leisten gegenseitige Hilfestellung. Hier können Kinder mit unterschiedlichen Lernbedürfnissen im gemeinsamen Arbeitsprozess Wertschätzung erfahren und positive Lernerfahrungen machen.

5.5 Technische Bildung
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Die Schülerinnen und Schüler erlernen den Umgang mit verschiedenen Werkzeugen, wie Feilen, Scheren, Sägen, und deren Einsatzmöglichkeiten. Im Verwendungsprozess achten sie auf Unfallverhütungsmaßnahmen und ergonomische Arbeitsweisen.

5.6 Werteerziehung
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Die Herausbildung eines einfühlsamen und reflektierten Urteils über eigene Werke, Arbeiten von Mitschülerinnen und Mitschülern sowie Werke aus anderen Kulturen führt zu einem Bewusstsein für die Bedeutung von Aufgeschlossenheit und Toleranz gegenüber anderen.