Lehrplan PLUS

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Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung München

Blindenkurzschrift

1 Selbstverständnis des Faches Blindenkurzschrift und sein Beitrag zur Bildung
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Die deutsche Blindenkurzschrift ist auch im Zeitalter der Digitalisierung noch die Gebrauchsschrift blinder Menschen. Sie umfasst eine Vielzahl von Laut-, Silben- und Wortkürzungen sowie Hilfs- und Sonderzeichen, ferner ein Regelwerk zur Anwendung. Somit stellt sie ein regelgebundenes System dar, in dem ein Wort nur auf eine einzige Weise richtig geschrieben werden kann. Verbindlich ist die Marburger Systematik einschließlich der Änderungen, die ab 2018 Gültigkeit haben. Der Erwerb der Blindenkurzschrift setzt die sichere Beherrschung der Vollschrift und deren routinierte Anwendung voraus. Im Fach Blindenkurzschrift erlernen die Schülerinnen und Schüler die Kürzungen und verbindlichen Regeln derselben. Sie erwerben die Fertigkeit, systemrichtig und geläufig zu schreiben und Brailledrucke in Blindenkurzschrift flüssig, sinnerfassend und klanggestaltend zu lesen.

Die Beherrschung der Blindenkurzschrift ist für blinde Menschen unbedingt erforderlich, um ihre Lese- und Schreibkompetenzen zu erhalten, zu vertiefen und zu verbessern. Nach wie vor ist der überwiegende Teil an Literatur und Sachtexten in den Schulbüchern ab Jahrgangstufe 7 in Blindenkurzschrift erstellt. Gedruckte Bücher und Zeitschriften für Jugendliche und Erwachsene existieren fast ausschließlich in Blindenkurzschrift. Am Computer kann die Braillezeile auf Blindenkurzschrift umgestellt werden, um so rasch und effizient Texte lesen und korrigieren zu können. Eine Sprachaus- und -eingabe an digitalen Endgeräten kann das Lesen mit den Fingern nur unterstützen, auf keinen Fall aber ersetzen. Somit stellt der Kompetenzerwerb im Fach Blindenkurzschrift einen entscheidenden Zugang zur geschriebenen Sprache dar und beschleunigt das Arbeitstempo im beruflichen und privaten Bereich wesentlich.

Hinweise zum Unterricht:
Der Lehrgang im Fach Blindenkurzschrift erstreckt sich als Pflichtfach über Jahrgangsstufe 5 und 6. Die Reihenfolge der Kompetenzerwartungen und Inhalte bei der unterrichtlichen Umsetzung lässt sich je nach Kenntnisstand der Schülerinnen und Schüler flexibel gestalten. Am Unterricht im Fach Blindenkurzschrift nehmen Schülerinnen und Schüler teil, die in der Regel mit Brailleschrift arbeiten und die Vollschrift bereits beherrschen.

2 Kompetenzorientierung im Fach Blindenkurzschrift
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Das Fach vermittelt Grundlegende Kompetenzen im Umgang mit geschriebener Sprache. In Form eines Lehrgangs erwerben die Schülerinnen und Schüler in systematischer Abfolge grundlegende Kenntnisse über die Kürzungen und Sonderzeichen sowie über das Regelwerk. Sie prägen sich Inhalte ein, schreiben systemrichtig und lesen sinnerfassend. Beim Erlernen der Blindenkurzschrift bewährt sich die Kombination von Lesen und Schreiben. Die Schülerinnen und Schüler nuzten auch spielerische Arbeitsformen zum Kompetenzerwerb. In Übungstexten werden die Wörter dem jeweiligen Kenntnisstand der Schülerinnen und Schüler entsprechen gekürzt.

2.1 Kompetenzstrukturmodell
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Kompetenzstrukturmodell Blindenkurzschrift

Die besondere Verbindung der Kompetenzbereiche findet Ausdruck durch die horizontale Anordnung der Grundintention des Fachs Zugang zu Informationen aus und Produktion von Texten in Blindenkurzschrift.

Im profilbildenden Fach Blindenkurzschrift erwerben die Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf im Bereich Sehen Kompetenzen in den einzelnen Entwicklungsbereichen anhand der für sie konzipierten Lernbereiche, sodass auf eine weitere Ausweisung von Entwicklungsbereichen bzw. auf die Darstellung von entwicklungsbezogenen Kompetenzen verzichtet wird.

Lesen, mit Texten umgehen
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Der Erwerb von Lesekompetenzen im Bereich der Blindenkurzschrift trägt wesentlich dazu bei, das Lesetempo der Schülerinnen und Schüler zu steigern. Die Schülerinnen und Schüler setzen Konzentration- und Anstrengungsbereitschaft ein, um die kognitiven Anforderungen, die das Lesen der Blindenkurzschirft an sie stellt - jedes gelesene Zeichen muss zum Regelwerk in Beziehung gesetzt werden, um ihm so die in diesem Fall einzig richtige Bedeutung zuzuweisen - zu meistern. Lesetexte enthalten jeweils die bereits erlernten Kürzungen. Die Nutzung des Programms RTFC ermöglicht dieses Vorgehen auch für andere Unterrichtsfächer. Die Auswahl der Lesetexte orientiert sich an den individuellen Interessen der Schülerinnen und Schüler. Diese achten beim Lesen neben der reinen Sinnerfassung auch auf Betonung und Klanggestaltung. Die in der Grundschulstufe erworbenen Lesestrategien (z. B. Orientierung auf einem Leseblatt, schnelles Auffinden der nächsten Zeile) wenden die Schülerinnen und Schüler an und übertragen diese auch auf das Lesen der Blindenkurzschrift. Die Schülerinnen und Schüler lesen zunächst kurze Texte aus ihrem Erfahrungshorizont und erarbeiten sich schließlich auch Ganzschriften z.B. aus dem Bereich der Jugendliteratur. Über aktuelle Texte (z. B. Kindernachrichten) entnehmen sie Informationen zum Zeitgeschehen. Die Schülerinnen und Schüler nehmen sich als erfolgreiche Leser wahr und bauen so nachhaltige Lesemotivation auf.

Für sich und andere schreiben
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Die Schülerinnen und Schüler erwerben im Fach Blindenkurzschrift Fähigkeiten und Kenntnisse, die das systemrichtige und flüssige Schreiben der Blindenkurzschrift ermöglichen. Dazu wenden sie die jeweiligen Kürzungen in einzelnen Wörtern und Beispielsätzen an. Sie schreiben Texte in Blindenkurzschrift ab und übertragen Vollschrifttexte in Kurzschrift. Im kreativen Schreiben gewinnen sie Freude am Verfassen eigener Texte. Auch in den anderen Fächern setzen die Schülerinnen und Schüler die bereits erlernten Kürzungen ein und erleben so die Arbeits- und Zeitersparnis, die das Schreiben der Blindenkurzschrift mit sich bringt. Vielerlei Schreibanlässe zeigen den Nutzen der Blindenkurzschrift auch über den schulischen Kontext hinaus auf, z. B. Notizen, Beschriftungen, Briefe. Die Schülerinnen und Schüler achten beim Schreiben auf eine ordentliche äußere Form und übersichtliche Blattgestaltung. Sie bringen die Regeln der deutschen Rechtschreibung in Beziehung zur Blindenkurzschrift und wenden beide normgerecht an.

Systematik der Blindenkurzschrift
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Wortkürzungen
Die Blindenkurzschrift unterscheidet einformige und zweiformige Wortkürzungen, die mit einem bzw. zwei Zeichen ein ganzes Wort oder einen Wortstamm darstellen. Sie sind an die Bedeutung dieses Wortes gebunden, können aber mit Endungen und weiteren Wortteilen ergänzt werden.

Lautgruppenkürzungen
Diese Gruppe von Kürzungen umfasst Zeichen (in der Regel nicht Buchstaben des Alphabets), die für häufig gebrauchte Silben oder Lautgruppen stehen (z. B. en, un, ar, be). Viele davon dürfen nicht überall im Wort verwendet werden, weil es sonst zu einer missverständlichen Darstellung kommt (z. B. „al“ ist am Wortende nicht erlaubt, da der Doppelpunkt für diese Silbe verwendet wird.

Vor- und Nachsilben
Man unterscheidet jeweils Vor- und Nachsilben für deutsche Wörter und für Fremdwörter, die dann nur am Wortanfang bzw. -ende benutzt werden dürfen. Änderungen in diesem Bereich werden aufgrund der Reform von 2018 berücksichtigt.

Kommakürzungen
Diese Kürzungen bestehen jeweils aus dem Komma (Punkt 2) und einem weiteren Buchstaben oder Zeichen. Sie verkörpern damit ein ganzes Wort oder in der Regel einen Wortstamm. Auch sie sind an die Bedeutung des Wortes gebunden.

Besondere Schreibweisen, Hilfs- und Sonderzeichen
In diesem Bereich, der am Ende des Lehrgangs (vor der Wiederholung aller Kürzungen) steht, sind einige Abschnitte zusammengefasst, die die Verwendung der Kürzungen ergänzen oder erklären. Dazu gehören der Einsatz der Hilfs- und Sonderzeichen, die Trennungsregeln, die Großschreibungsregeln und einige Sonderfälle. Die Anwendungsregeln für Lautgruppenkürzungen sind bei den entsprechenden Inhalten aufgeführt.

3 Aufbau des Fachlehrplans im Fach Blindenkurzschrift
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Im Fach Blindenkurzschrift entsprechen die Lernbereiche den Kompetenzbereichen des Kompetenzstrukturmodells.

Der Erwerb der Blindenkurzschrift zielt auf den Zugang zu Texten und Literatur sowie auf den selbständigen Zugang zu Informationen in Punktschrift, aber auch auf die effektive Erstellung von Texten. Alle Lernbereiche sind mit den Inhalten der Kompetenzbereiche verknüpft.

Die Schülerinnen und Schüler erwerben die Kompetenzen anhand der Inhalte des Lehrgangs zur Blindenkurzschrift, wie in Lernbereich 3 ausgewiesen.

Der Lehrgang zum Erwerb der Systematik der Blindenkurzschrift ist in sechs Inhaltsbereiche gegliedert, die sich auf die Jahrgangsstufen 5 und 6 verteilen und im Wesentlichen den Kürzungsarten entsprechen. Die Inhaltsbereiche 3 und 5 erfahren zum Teil in der Jahrgangsstufe 5 und zum Teil in der Jahrgangsstufe 6 Berücksichtigung. Je nach Kenntnisstand der Schülerinnen und Schüler und nach pädagogischen Erwägungen wird die Reihenfolge der einzelnen Inhaltsbereiche flexibel gestaltet.

Der gesamte Lehrgang umfasst verpflichtend folgende Inhalte:

  • einformige Wortkürzungen
  • zweiformige Wortkürzungen
  • gekürzte Lautgruppen
  • Vor- und Nachsilben
  • Kommakürzungen
  • besondere Schreibweisen, Hilfs- und Sonderzeichen

4 Zusammenarbeit mit anderen Fächern
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Die Blindenkurzschrift wird im Laufe des Lehrgangs zur Gebrauchsschrift der Schülerinnen und Schüler. Dies setzt voraus, dass sie ihre Kurzschriftkenntnisse in allen Unterrichtsfächern anwenden und vertiefen. Die Schülerinnen und Schüler erstellen Texte gemäß ihrem Kenntnisstand in Blindenkurzschrift und erhalten alle Arbeitsmaterialien in Teilkurzschrift oder Kurzschrift.

Vielfältige Verknüpfungen ergeben sich mit dem Fach Deutsch, da der Erwerb von Lese- und Schreibkompetenzen in der Blindenkurzschrift auf den prozessbezogenen Kompetenzen des Fachs Deutsch aufbaut. Einen besonderen Beitrag leistet das Fach Deutsch beim Erwerb von Rechtschreibbewusstsein, das die Grundlage für die Erfassung der Übereinstimmung von Rechtschreibregeln mit der Blindenkurzschrift bildet. Darüber hinaus finden beim Erwerb der Blindenkurzschrift Arbeits- und Übungsformen Anwendung, die den Schülerinnen und Schülern aus dem Fach Deutsch vertraut sind

Im Fach Wirtschaft und Kommunikation nutzen die Schülerinnen und Schüler ihre digitalen Endgeräte auch zum Lesen der Blindenkurzschrift auf der Braillezeile.

5.1 Sprachliche Bildung
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Sprachliche Bildung ist Unterrichtsprinzip in allen Fächern. Im Fach Blindenkurzschrift erschließen die Schülerinnen und Schüler vielerlei literarische Texte und Gebrauchstexte mithilfe von Lesestrategien und erweitern ihre Verstehens- und Ausdruckskompetenzen. Durch sicheres Beherrschen der Schriftsprache wird Schülerinnen und Schülern mit Blindheit ein annähernd gleichwertiger Zugang zu Bildung und kulturellem Leben ermöglicht.

5.2 Kulturelle Bildung
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Das Fach Blindenkurzschrift leistet auch einen Beitrag zur kulturellen Bildung. Die Schülerinnen und Schüler setzen sich kritisch mit Sprache und Literatur auseinander. Durch die Gestaltung eigener Texte erleben sie sich als Kulturschaffende. Das verwendete Sprachmaterial knüpft an ihre Erfahrungswelt an und unterstützt die Begriffsbildung.

5.3 Medienbildung/Digitale Bildung
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Da literarische Texte und aktuelle Zeitschriften fast ausschließlich in Blindenkurzschrift gedruckt werden, erschließt diese Schriftform den Zugang zur geschriebenen Sprache im Allgemeinen und zu jeder Art von Printmedien im Besonderen. Durch das gleichberechtigte Nutzen gedruckter und digitaler Informationen erfahren die Schülerinnen und Schüler Möglichkeiten und Grenzen beider Systeme. Sie beurteilen Medienbotschaften und reflektieren kritisch das Zeitgeschehen.