Im Fach Geographie befassen sich die Schülerinnen und Schüler mit Schlüsselfragen des 21. Jahrhunderts anhand von raumbezogenen Strukturen und Prozessen auf der Erde. Ein zentrales Ziel des Geographieunterrichts ist es, unseren Planeten als Lebensgrundlage des Menschen in seiner Einzigartigkeit, Vielfalt und Verletzlichkeit zu begreifen und verantwortungsbewusst mit ihm umzugehen.
Werte, an denen sich die Geographie orientiert, sind insbesondere Achtung vor der Würde des Menschen, Toleranz, Generationen- und Geschlechtergerechtigkeit, Solidarität, Nachhaltigkeit, Schutz der Umwelt, Bewahrung der natürlichen Ressourcen sowie Frieden.
Zu den großen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts gehören insbesondere die Globalisierung, der anthropogene Klimawandel, die Verschmutzung der Ozeane, die Reduzierung der Biodiversität, die weltweite Migration, die Ausbreitung von epidemischen und pandemischen Krankheiten, Fragen der Ernährungssicherung und der Ressourcennutzung sowie geopolitische Konflikte. Zwei zentrale Merkmale des Faches Geographie, die Auseinandersetzung mit dem Mensch-Umwelt-System und der Raumbezug, decken das Spannungsfeld dieser Herausforderungen ab.
Mensch-Umwelt-Disziplin
Geographie vernetzt Gesellschafts- und Naturwissenschaften und vermittelt zentrale Grundlagen in beiden Bereichen. So bezieht sie sowohl naturgeographische (z. B. Klima, Vegetation, Relief, Böden) als auch humangeographische Systeme (z. B. Bevölkerung, Wirtschaft, Verkehr, Geopolitik), deren Strukturen, Prozesse und Interdependenzen mit ein und versteht sich vor diesem Hintergrund auch als Zentrierungsfach für die schulrelevanten Inhalte der weiteren Geowissenschaften (z. B. Geologie, Meteorologie, Ozeanographie) bzw. der Raum- und Stadtplanung.
Die besondere Stärke geographischer Bildung liegt im systemischen Zusammendenken in Form der Verflechtung von Mensch und Umwelt in seiner räumlichen Dimensionalität. Um die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts angemessen analysieren zu können, ist es von entscheidender Bedeutung, diese Phänomene als Mensch-Umwelt-Systeme mit all ihren Interdependenzen zu begreifen. Durch das Zusammenspiel naturwissenschaftlicher und gesellschaftswissenschaftlicher Herangehensweisen im Unterricht, durch Einblicke sowohl in die gestaltenden Kräfte der Natur als auch in die raumprägenden Einflüsse des Menschen werden Ursachen und Auswirkungen analysiert und Handlungsoptionen entwickelt, die unsere Gesellschaft zukünftig resilienter werden lassen. Das Fach Geographie vermittelt Schülerinnen und Schülern eine systemisch-vernetzende Perspektive auf die Welt und fördert Verantwortungsbewusstsein für eigenes Handeln.
Raumwissenschaft
Geographische Bildung begründet sich maßgeblich darin, dass der Mensch ein zutiefst raumgebundenes und raumprägendes Wesen ist und in stark vernetzten Beziehungen zu räumlichen Gegebenheiten und Entwicklungen interagiert. Nahezu alle Schlüsselprobleme der Gegenwart weisen eine stark räumliche Dimension auf. Diese manifestiert sich auf unterschiedlichen Maßstabsebenen von lokal über regional bis hin zu international und global. Die räumliche Perspektive ist zentral für das Fach Geographie.
Die Schülerinnen und Schüler erwerben im Geographieunterricht nicht nur die Fähigkeit, sich auf unterschiedliche Art und Weise räumlich orientieren zu können, sondern sie entwickeln ein vertieftes Raumverständnis, sie lernen Räume differenziert wahrzunehmen und zu erfassen. Dabei unterscheiden sie die objektive Ausstattung sowie die subjektive und selektive Wahrnehmung und Bewertung von Räumen und erkennen, dass Räume immer bewusst oder unbewusst konstruiert sind. Die Auseinandersetzung mit globalen und regionalen natur- und humangeographischen Strukturen, aber auch mit Entwicklungen im Heimatraum, trägt zur Welterschließung und zur Ausbildung einer regionalen Identität bei. Durch die Herstellung von Bezügen zwischen dem Heimatraum und anderen Teilen der Welt werden die jungen Menschen zur Reflexion ihrer eigenen Lebenswelt und Lebensweise angeregt. Die Begegnung mit europäischen und außereuropäischen Ländern und Regionen ermöglicht ihnen einen Einblick in die kulturelle Vielfalt auf der Erde.
Zentrale Unterrichtsprinzipien
Geographische Fachkonzepte (z. B. Mensch-Umwelt-System, Maßstabsebenen, Raumkonzepte, Nachhaltigkeitsviereck) befähigen die Schülerinnen und Schüler, der Komplexität natürlicher und gesellschaftlicher Entwicklungen angemesen zu begegnen. Die Lernenden gewinnen Einblicke in übergeordnete Zusammenhänge und Gesetzmäßigkeiten und erkennen Regelhaftigkeiten zwischen natürlichen Gegebenheiten und Aktivitäten des Menschen in verschiedenen Räumen der Erde. Als grundlegende, für Lernende nachvollziehbare Leitideen des fachlichen Denkens, die sich in den unterschiedlichen geographischen Sachverhalten wiederfinden lassen, stellen geographische Fachkonzepte systematische Denk- und Analysemuster sowie Erklärungsansätze für die fachspezifische Herangehensweise der Geographie an einen Lerngegenstand dar. Sie helfen den Schülerinnen und Schülern, das geographische Erkenntnisinteresse zu identifizieren und zu erkennen, was geographisches Denken eigentlich bedeutet. Die Wiederkehr derselben geographischen Prinzipien in unbekannten Kontexten ermöglicht ihnen über Unterrichtsreihen und Jahrgangsstufen hinweg die Entwicklung dynamischer Wissens- und Verstehensstrukturen.
Dabei fällt dem Unterrichtsprinzip der Kontingenz eine zentrale Rolle zu. Das Aushalten von Ambivalenzen, der Umgang mit Unsicherheiten sowie die produktive Nutzung der Vielfalt der Optionen sind Qualitäten, die verstärkt in der Oberstufe des Gymnasiums angebahnt werden. Sie schützen vor unzulässigen Vereinfachungen und ermöglichen ein kritisches Hinterfragen. Statt der Übersimplifizierungen der Lerngegenstände zielt geographische Bildung auf die Steigerung der Eigenkomplexität der Schülerinnen und Schüler ab, also auf die Anbahnung von Fähigkeiten und Fertigkeiten, die die Lernenden in die Lage versetzen, mit komplexeren Herausforderungen angemessen umzugehen.
Gleichzeitig gilt es jedoch, aktiv möglichen Resignationstendenzen vorzubeugen und die Selbstwirksamkeit der jungen Generation zu fördern. Daher setzt der Geographieunterricht im Sinne einer Lösungsorientierung (neben der klassischen Problemorientierung) verstärkt auf die intensive unterrichtliche Auseinandersetzung auch mit positiven Entwicklungen und erfolgreichen Handlungsansätzen bzw. ermutigenden Fallbeispielen sowie auf die Reflexion eigener Lebens- und Handlungsweisen. Im Sinne einer Interkulturellen Bildung erfolgt das Aushandeln zukunftsorientierter Lösungen immer auch verantwortungsbewusst und verständnisorientiert vor dem Hintergrund kultureller Vielfalt in der Nähe und Ferne und einer Wertschätzung gesellschaftlicher Pluralität.
Wie bereits erwähnt, ist ein zentrales Ziel geographischer Bildung die raumbezogene Handlungskompetenz. Der Geographieunterricht trägt dazu bei, dass Schülerinnen und Schüler den Planeten Erde als Lebensgrundlage des Menschen in seiner Einzigartigkeit und Vulnerabilität begreifen. Es werden Fähigkeit und Bereitschaft der Schülerinnen und Schüler entwickelt, Mitverantwortung für Natur und Umwelt zu übernehmen, sich im Sinne demokratischer und gerechter Gesellschaften zu engagieren, die Auswirkungen unterschiedlicher Maßnahmen zu reflektieren und ihre Welt im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung gemeinsam mit anderen aktiv mitzugestalten.
Das Aktualitätsprinzip ermöglicht durch das Einbeziehen aktueller Entwicklungen das Anknüpfen an die Lebenswirklichkeit und bindet Lebenserfahrung der Schülerinnen und Schüler in den Unterricht mit ein.
Arbeitsweisen, Methoden, Medien
Im Geographieunterricht werden sowohl naturwissenschaftliche als auch gesellschaftswissenschaftliche Wege der raumbezogenen Erkenntnisgewinnung angebahnt. Entsprechend bietet der Geographieunterricht ein breites Spektrum naturwissenschaftlicher und gesellschaftswissenschaftlicher Methoden, um die Welt als Mensch-Umwelt-System zu erschließen und sie aktiv mitzugestalten. Geographie ist ein medien- und methodenintensives Fach; Anschaulichkeit und Aktualität spielen eine große Rolle. Schülerinnen und Schüler haben die Gelegenheit, sich mit einer Vielzahl von analogen, digitalen und hybriden Medien vertraut zu machen. Die Lernenden erwerben dadurch die Fähigkeit zum effektiven und reflektierten Umgang mit Medien und digitalen Technologien. Das Methodenspektrum reicht von Experimenten über die Arbeit mit Karten bis hin zu diskursanalytischen Auseinandersetzungen mit medialen Raumkonstruktionen. Von besonderer Bedeutung für geographische Bildung ist das Lernerlebnis und die damit einhergehende Erkenntnisgewinnung im Realraum, etwa im Sinne geoökologischer Analysen, kartengestützter Orientierung oder reflexiver Raumwahrnehmung. So gewinnen Schülerinnen und Schüler beispielsweise auf Exkursionen exemplarisch Einsichten in ausgewählte Mensch-Umwelt-Systeme (z. B. Steinbruch, Bauernhof, Stadtökologie). Die originale Begegnung mit Mensch und Natur im Rahmen von Exkursionen inspiriert und fördert maßgeblich die Bereitschaft, die Verantwortung des Menschen für sein Handeln im Kleinen und Großen, lokal wie global, zu erkennen und anzunehmen.
Neben dem Realraum ist auch das Arbeiten im digitalen Raum wichtiger Bestandteil des Geographieunterrichts. Dem Fach Geographie fällt bei Bildungsprozessen in der digitalen Welt eine besondere Stellung zu, da digitale Geoinformationen, also Informationen mit Raumbezug, einer der mächtigsten Rohstoffe des 21. Jahrhunderts sind (z. B. bei Fragen der Mobilität, des Smart Farmings oder des Katastrophenschutzes). Beim Lernen mit und über digitale Geoinformationen und Geomedien zielt der Geographieunterricht dabei nicht nur auf die technikbezogene Anbahnung von Fähigkeiten und Fertigkeiten von digitalen Geomedien (z. B. webbasierte Kartenapplikationen) ab, sondern verfolgt auch partizipativ-transformative und kritisch-reflexive Ansätze (z. B. raumbezogene Privatsphäre, Macht von Algorithmen bzw. künstliche Intelligenz).