Der Ethikunterricht dient der Erziehung der Schüler zu werteinsichtigem Urteilen und Handeln (Art. 47 Abs. 2 BayEUG). Er unterstützt die jungen Menschen in ihrer Suche nach weltanschaulicher und moralischer Orientierung in der Welt von heute, indem er ihnen Entwürfe und Theorien vorstellt, die aus einer langen Entwicklung philosophischen Denkens und wissenschaftlichen Forschens hervorgegangen sind. Die Jugendlichen vergleichen diese Modelle mit den von ihnen selbst entwickelten Vorstellungen und kommen so zu einem eigenen Bild von einem guten und gerechten Leben und von dem Menschen, der sie gerne wären.
Einsicht allein führt aber häufig noch nicht zu dem entsprechenden Handeln. So ist auch die Motivation zu werteinsichtigem Handeln zu stärken, z. B. durch Perspektivwechsel und insbesondere das Einfühlen in die Situation anderer. Schließlich werden die Schülerinnen und Schüler auch in der Lage sein müssen, die Handlung adäquat durchzuführen, die sie für sich als richtig erkannt haben. In ausgewählten Handlungsfeldern werden deshalb Übungsmöglichkeiten für werteinsichtiges Handeln geboten, wie z. B. in der angewandten Ethik. Dabei wird eine ausreichende Festigung neu erworbener Kompetenzen unabdingbare Voraussetzung dafür sein, dass diese dann den Schülerinnen und Schülern auch spontan in Alltagssituationen zur Verfügung stehen können.
Für Schülerinnen und Schüler, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen, ist der Ethikunterricht Pflichtfach (Art. 47 BayEUG). Er orientiert sich in seiner Zielsetzung an den sittlichen Grundsätzen, wie sie in der Verfassung des Freistaates Bayern und im Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland niedergelegt sind. Im Übrigen berücksichtigt er die Pluralität der Bekenntnisse und Weltanschauungen. Insbesondere orientiert er sich bezüglich seiner inhaltlichen Rahmenbedingungen an den Aussagen der Bayerischen Verfassung in Artikel 131 und den Festlegungen des Grundrechtekatalogs im Grundgesetz. So ist die Achtung der Würde des Menschen unverzichtbare Grundlage des Ethikunterrichts. Die Erziehung zu Toleranz, Selbstkontrolle und Achtung der Überzeugungen des Andersdenkenden sowie zur Übernahme von Verantwortung sind weitere Beispiele dieser Orientierung. Dabei ist stets zu berücksichtigen, dass das Fach Ethik auf das erzieherische Wirken der Schule insgesamt und insbesondere auf den grundlegenden Beitrag des Elternhauses zur Moralerziehung angewiesen bleibt und diesen auch in seinem pädagogischen Anspruch zu berücksichtigen hat.
Die individuelle Entfaltung der Persönlichkeit soll im Bewusstsein sozialer Bindungen und auf der Grundlage von Wertmaßstäben gefördert werden, die einer pluralistischen Gesellschaftsordnung entsprechen. Indem die Schülerinnen und Schüler dazu angeleitet werden, sich selbst und ihre Mitmenschen bewusst wahrzunehmen, wird nicht nur die Entwicklung ihres Selbstbewusstseins und Selbstwertgefühls, sondern ebenso das Bewusstsein für den Eigenwert der anderen und die Achtung gegenüber deren Bedürfnissen und berechtigten Ansprüchen gefördert. Mit Blick auf die Inklusion spielt dabei auch der respektvolle Umgang mit Menschen mit Behinderung eine wichtige Rolle. Der Ethikunterricht fördert darüber hinaus aufmerksames Zuhören und ein offenes, konstruktives Gespräch. Die Schülerinnen und Schüler werden dazu angehalten, in ethischen und moralischen Fragen schlüssig und nachvollziehbar zu argumentieren und die Argumentation anderer einer rationalen Überprüfung zu unterziehen. Den Schülerinnen und Schülern soll Gewaltlosigkeit als unverzichtbares Prinzip für die Bewältigung von Meinungsverschiedenheiten und von Konflikten vermittelt werden und sie sollen befähigt werden, mit Herausforderungen, die sich ihnen in diesem Zusammenhang stellen, entsprechend umzugehen.
Gemeinsames Lernen von Schülerinnen und Schülern, die aus verschiedenen Kulturkreisen stammen, soll dem Einzelnen die Chance eröffnen, seine eigenen kulturellen Wurzeln zu erkennen und unter Achtung der Überzeugung der anderen Verantwortung für das Zusammenleben der Menschen zu übernehmen. Die Schülerinnen und Schüler erwerben deshalb auch Kenntnisse über wichtige Wertvorstellungen in verschiedenen Kulturen sowie der sie prägenden Religionen. Damit wird eine wesentliche Grundlage für ein von Wertschätzung und Toleranz geprägtes Miteinander von Menschen unterschiedlicher Herkunft und Glaubensvorstellungen gelegt.
Ethische Fragen, die sich z. B. aus dem Verhältnis des Menschen zur Natur, aus der Wirtschafts- und Arbeitswelt und neuen Entwicklungen in der Medizin und den Medien ergeben, fordern ein reflektiertes Urteil auf der Basis gründlicher Information. Dies muss schon beim Heranwachsenden angebahnt werden. Der Ethikunterricht leistet hier einen wesentlichen Beitrag, indem er ein Bewusstsein für Zusammenhänge zwischen eigenem Handeln und Problemen der modernen Welt schafft und die Entwicklung der Fähigkeit fördert, Möglichkeiten zur verantwortungsbewussten Problembewältigung zu finden.
Die Suche der Schülerinnen und Schüler nach Sinn, passenden Entwürfen für ein glückliches und selbstbestimmtes Leben und einem stimmigen Welt- und Menschenbild unterstützt der Ethikunterricht, indem er ihnen die Auseinandersetzung mit vielfältigen Vorstellungen sowie den lebendigen Austausch mit anderen ermöglicht.