Die Auseinandersetzung mit den wechselseitigen sozialen und politischen Beziehungen der Menschen in ihrem unmittelbaren Umfeld und in ihrem jeweiligen Lebensraum, in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ist das zentrale Anliegen des Faches Geschichte/Politik/Geographie in der Mittelschulstufe. Die in der Grundschulstufe im Heimat- und Sachunterricht erworbenen sozialen und kulturellen, natur- und raumbezogenen und historischen Kompetenzen sind die Grundlage dieses Faches, in dem die Gegenstandsbereiche des Kompetenzstrukturmodells aus historischer, sozialwissenschaftlicher und geographischer Perspektive betrachtet und vernetzt werden. Im Fachlehrplan ergeben sich daraus vier Lernbereiche, die eine Herangehensweise aus den genannten Perspektiven ermöglichen.
Handlungsorientierte und direkte Begegnungen mit Menschen und ihrem Wirken, gesellschaftlichen und politischen Institutionen, Raum, mit schriftlichen und bildlichen Quellen, Gegenständen und Bauwerken, auch an außerschulischen Lernorten, unterstützen die Schülerinnen und Schüler weiter dabei, eine grundlegende Allgemeinbildung zu erwerben, ihre Kenntnisse und Fähigkeiten auf ihre Lebenswelt zu übertragen und selbständig Lösungsstrategien zu entwickeln, um sich auf ihre Rolle als mündige Bürgerinnen und Bürger vorzubereiten. Das Fach leistet einen wichtigen Beitrag zur Inklusion, indem die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderung besondere Beachtung findet.
Ausgehend von der Geschichte vor Ort und durch die Auseinandersetzung mit der sie umgebenden Geschichts- und Erinnerungskultur (z. B. lokale und nationale Gedenktage, historische Jubiläen und Feste, Museen, Denkmalpflege und historische Filme), erwerben die Schülerinnen und Schüler die notwendigen Grundlagen, um die Zeitdimensionen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft vor allem ihrer Lebenswelt im Alltag miteinander zu verknüpfen und an der gegenwärtigen Geschichtskultur aktiv mitzuwirken.
Historisches Lernen ist Bildung von Geschichtsbewusstsein durch Erzählen. Schülerinnen und Schüler müssen daher befähigt werden, Geschichte erzählen zu können und Zusammenhänge zu eigenen Erfahrungen, Erwartungen und Orientierungen herzustellen. Eine zentrale Bedeutung nimmt hierbei die narrative Kompetenz ein, das reflektierte historische Erzählen. Sie ist die Voraussetzung für die eigenständige Darstellung von Geschichte und für den kritischen Umgang mit Historiografie. Der Entwicklung einer narrativen Kompetenz kommt daher eine besondere Bedeutung zu.
Im Unterricht orientieren sich die Schülerinnen und Schüler alters- und entwicklungsgemäß in den Natur- und Kulturräumen der Erde und erkennen wichtige Strukturen und Prozesse in den jeweiligen Räumen. Sie vergegenwärtigen sich die Begrenztheit unserer Ressourcen und verstehen die Notwendigkeit der verantwortlichen Gestaltung ihrer Lebenswelt im Sinne einer Bildung für Nachhaltige Entwicklung aus der Weiterentwicklung unserer Gesellschaft heraus. Anknüpfend an ihre unmittelbare Umgebung erklären sie die internationalen Verflechtungen und den Prozess der Globalisierung.
Sie benennen und überdenken kritisch ihr eigenes Medien- und Konsumverhalten und entwickeln nachhaltige Strategien zur verantwortungsbewussten Nutzung. Die Schülerinnen und Schüler erhalten Raum, über das Verhältnis von Individuum und Gesellschaft sowie über die Stellung sozialer Gruppen zu diskutieren und erörtern dieses Beziehungsgefüge in seinen wechselseitigen Abhängigkeiten, mit seinen Regeln und Organisationsformen.
Zu den wichtigsten Kompetenzen mündiger, informierter und politisch handlungsfähiger Bürgerinnen und Bürger gehört in einer demokratischen Gesellschaft die Anerkennung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, die Achtung der Menschenwürde sowie die aktive, altersgemäße Mitwirkung an politischen Prozessen und die Erprobung demokratischer Verhaltensweisen. Das Verständnis der im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland und in der Bayerischen Verfassung grundgelegten Wertvorstellungen und Rechtsnormen unserer modernen europäisch-demokratischen Kultur hat eine wesentliche Bedeutung im Leben der Schülerinnen und Schüler der Mittelschulstufe.
Sie entwickeln durch die stetige Auseinandersetzung mit weiteren Kulturen und durch die Einsicht in vielfältige Lebensräume ein Verständnis für unterschiedliche Wertvorstellungen und somit für grundlegende Formen interkulturellen Lernens. Im Unterricht erhalten die Schülerinnen und Schüler nach Möglichkeit Zugänge zu den jeweiligen Inhalten aus allen drei Perspektiven des Kompetenzstrukturmodells.
Das Fach Geschichte/Politik/Geographie trägt zum Erwerb und zur Förderung der Alltagskompetenzen der jungen Menschen nachhaltig bei. Mithilfe fachspezifischer Arbeitsweisen und durch das Erproben fachtypischer Methoden überprüfen und verändern ggf. die Schülerinnen und Schüler bereits gewonnene Einstellungen und wenden die erworbenen Kompetenzen bewusst und selbständig an. Offene Aufgabenstellungen berücksichtigen die individuellen Lernbedürfnisse des Einzelnen und lassen verschiedene Lösungsansätze zu. Mithilfe von spezifischen Unterstützungsmöglichkeiten wird ein individueller Lernzuwachs von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf erzielt.
Die Anforderungen in der Mittlere-Reife-Klasse heben sich von denen der Regelklasse durch umfangreichere Aufgabenstellungen, ein höheres Arbeitstempo und mehr Selbständigkeit ab.
Schülerinnen und Schüler am Förderzentrum mit dem Förderschwerpunkt Hören setzen sich im Fach Geschichte/Politik/Geographie besonders mit der Geschichte von Menschen mit Hörgeschädigung und ihrer schrittweisen Anerkennung als vollwertige Mitglieder der Gesellschaft auseinander. Auch die Geschichte der Hörgeschädigtenpädagogik ist Unterrichtsinhalt. Die Schülerinnen und Schüler werden sich bewusst, dass die heutige Methodenvielfalt vom rein lautsprachorientierten Bildungsansatz bis hin zur ggf. bilingualen Erziehung lange Zeit keine Selbstverständlichkeit war.
Die politische Situation von Menschen mit Hörschädigung und ihre gesellschaftliche Stellung aus heutiger Sicht und im historischen Kontext spielen ebenfalls eine wichtige Rolle. Dabei wird besonders auf den Umgang der Nationalsozialisten mit Menschen mit Behinderung allgemein und mit Menschen mit Hörschädigung im Speziellen eingegangen. Erfahrungsberichte von Zeitzeugen leisten hier einen wesentlichen Beitrag, um Schülerinnen und Schüler am Förderzentrum mit dem Förderschwerpunkt Hören zu informieren und zu sensibilisieren.
So bildet sich bei den Schülerinnen und Schülern ein Bewusstsein dafür, dass alle Menschen gleich sind und dass es wichtig ist, für die eigenen Rechte einzustehen. Durch die Auseinandersetzung mit der Geschichte der Menschen mit Hörschädigung, die von Unterdrückung, Missverständnis, Missachtung und Verfolgung gekennzeichnet ist, entwickeln die Schülerinnen und Schüler Selbstbewusstsein, Selbstverantwortung und die Fähigkeit, als mündige Bürgerinnen und Bürger am gesellschaftlichen und politischen Leben in Deutschland teilzunehmen.