Das Fach Latein leitet ausgehend von lateinischen Texten zu intensiver Beschäftigung mit der lateinischen Sprache und der Kultur der Antike an. Dabei erkennen die Schülerinnen und Schüler in der griechisch-römischen Antike ein bis heute tragendes Fundament der europäischen Tradition. Die Beschäftigung mit der antiken Welt geht zunächst von Lehrbuch-, später von Originaltexten aus, anhand derer u. a. bedeutende mythologische Themen, relevante historische Inhalte, zentrale philosophische Denkmodelle, elementare Prinzipien der römischen Rechtstradition, grundlegende Dimensionen politischen Denkens und Handelns sowie Ursprünge und Werte des Christentums erarbeitet werden. Als wichtiger Beitrag zur vertieften Allgemeinbildung am Gymnasium wird Orientierungswissen aufgebaut, welches dazu befähigt, das vielfältige und prägende Weiterwirken der antiken Kultur wahrzunehmen und zu würdigen, wesentliche Elemente europäischer Identität zu erkennen sowie zu benennen und auf einer verlässlichen Wissens- und Vergleichsbasis vorurteilsfrei mit anderen Kulturkreisen umzugehen.
Die lateinische Literatur bietet Texte, die seit der Antike durchgehend zu wirkungsmächtigen Vorbildern der Weltliteratur geworden sind. Im Unterricht werden die hohe inhaltliche und stilistische Qualität dieser lateinischen Werke sowie das komplexe Zusammenspiel von Form und Inhalt erschlossen. Dazu erfassen die Schülerinnen und Schüler den Gedankengang gehaltvoller Texte, analysieren deren Struktur und sprachlich-stilistische Gestaltung, werten ihre Inhalte aus und nehmen fundiert zu den behandelten Themen Stellung.
Die Schülerinnen und Schüler entwickeln durch die Begegnung mit lateinischen Originaltexten und deren kulturellem Kontext ein Empfinden für die Schönheit von Sprache, Literatur und Kunst, das über den ästhetischen Genuss hinaus auch die Reflexion über Kriterien ästhetischer Qualität fördert und Orientierung bietet. Aufgrund der Literaturkompetenz, die im Lateinunterricht entsteht, wird auch Freude am verständigen Lesen anspruchsvoller literarischer Texte geweckt.
Das Fach Latein ermöglicht am Modell und an der Systematik der lateinischen Grammatik grundlegende Einsichten in das Funktionieren von Sprache überhaupt. Der Umgang mit der deutschen Sprache, u. a. beim Übersetzen, hält die Schülerinnen und Schüler immer wieder dazu an, beide Sprachen miteinander zu vergleichen und dabei im Sinne einer vertieften Sprachreflexion Gemeinsamkeiten und Unterschiede festzustellen. Die Kenntnis des Lateinischen als Ursprung der romanischen Sprachen und sein nachhaltiger Einfluss auf die Weltsprache Englisch erleichtert nicht nur das effektive Erlernen vieler moderner Fremdsprachen, sondern auch das Erschließen und die souveräne Verwendung zahlreicher Fremdwörter, u. a. aus wissenschaftlichen Fachsprachen und aus der Begriffswelt der modernen Technik und Wissenschaft.
Die Analyse geschichtlicher Prozesse der Antike, verschiedener Verfassungsstrukturen und zentraler politischer Ideen hat im Lateinunterricht einen hohen Stellenwert, ebenso die kritische Auseinandersetzung mit der Wirkungsmacht von Sprache. Durch die Beschäftigung mit rhetorischen Texten erwerben die Schülerinnen und Schüler Kenntnisse und Fähigkeiten im Bereich der Rhetorik und setzen sich mit der Frage nach der ethischen Dimension der Beredsamkeit, d. h. des bewussten und ggf. manipulativen Einsatzes von Sprache, auseinander. Dabei werden auch politische Kontexte der Gegenwart berücksichtigt.
Durch intensive Sprachbetrachtung und gründliche Beschäftigung mit Texten sowie ihrem kulturellen Kontext eignen sich die Schülerinnen und Schüler auch unter Nutzung geeigneter digitaler Medien wesentliche Lern- und Arbeitstechniken sowie Strategien der Selbstorganisation an. So können sie ihr Vorgehen bewusst an den fachspezifischen, auf Präzision zielenden Erfordernissen ausrichten, ihre Lernfortschritte selbst einschätzen, unterschiedlichste Aufgaben- und Problemstellungen eigenständig und systematisch lösen sowie ihre Arbeitsergebnisse selbstkritisch überprüfen.