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Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung München

Vergleichsansicht

Vergleichsauswahl 2

Geschichte

1 Selbstverständnis des Faches Geschichte und sein Beitrag zur Bildung

Eine eigene Geschichte zu haben und sich ihrer zu erinnern, ist Wesensmerkmal jedes Individuums wie auch jeder Gesellschaft. Der Geschichtsunterricht hat deshalb das Ziel, ein reflektiertes Geschichtsbewusstsein zu fördern und die Schülerinnen und Schüler zu historischem Denken anzuhalten. Zudem erwerben die Schülerinnen und Schüler bei der Begegnung mit Geschichte Kompetenzen, die sie bei der Herausbildung einer eigenen Identität unterstützen. Diese helfen ihnen, sich in ihrer Lebenswelt zu orientieren und regen sie dazu an, Gegenwart und Zukunft vor dem Hintergrund eines historischen Bewusstseins erfolgreich mitzugestalten. Dazu setzen sie sich in altersangemessener und systematischer Weise mit zentralen Fragestellungen und Themen aus verschiedenen Epochen auseinander. Auf der Basis von historischem Wissen erwerben sie dabei Fähigkeiten und Fertigkeiten, die es ihnen ermöglichen, auch mit neuen historischen und gegenwärtigen Problemstellungen reflektiert umzugehen, um beispielsweise Denk- und Handlungsalternativen zu entwickeln.

Der Geschichtsunterricht fördert die Bereitschaft zur toleranten Auseinandersetzung mit anderen Kulturen, Sicht- und Lebensweisen und begünstigt die Entwicklung eigener Werthaltungen und Standpunkte. Das Wissen um die Entstehung sowie um Chancen, Gefährdungen und Grenzen demokratischer Strukturen führt zur Wertschätzung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland und verdeutlicht die Notwendigkeit gesellschaftlichen und politischen Engagements jedes Einzelnen. Bei der Auseinandersetzung mit Geschichte soll das Streben nach Völkerverständigung sowie die Herausbildung eines europäischen Bewusstseins bei gleichzeitiger Anerkennung des Eigenwerts von Regionen und Nationen ausgebildet und gestärkt werden.

Die Beschäftigung mit der Landes- und Regionalgeschichte ermöglicht es den Schülerinnen und Schülern, die historisch gewachsenen Strukturen bis in ihre Lebenswelt hinein zu verfolgen, und fördert so ihre Bereitschaft, das historische und kulturelle Erbe ihres Heimat- und Lebensraums wertzuschätzen und zu pflegen.

Eine besondere Bedeutung kommt den außerschulischen Lernorten (Exkursionen) zu. Diese bieten die Möglichkeit, über entdeckendes Lernen die außerschulische und lebensweltliche Relevanz von Geschichte unmittelbar zu erfahren.

2 Kompetenzorientierung im Fach Geschichte

Die Kompetenzorientierung rückt den Lernenden als Subjekt des Lernens in den Mittelpunkt bei der Beschreibung, Planung und Durchführung von Unterricht. Daher ist der Fachlehrplan aus der Perspektive der Lernenden formuliert.

Kompetent ist eine Person, wenn sie bereit und fähig ist, neue Aufgaben- oder Problemstellungen zu lösen. Dazu muss sie auf Wissen und Fähigkeiten zurückgreifen, diese vor dem Hintergrund von Werten reflektieren und verantwortlich einsetzen. Für den kompetenzorientierten Geschichtsunterricht lassen sich daraus folgende Grundsätze ableiten:

(1) Anwendbarkeit und Übertragbarkeit von historischem Wissen und Können, auch zur Problemlösung in variablen Kontexten sowohl in der gegenwärtigen schulischen Situation als auch über die Schule hinaus; (2) Lebensweltbezug bei der Anwendung von historischen Kenntnissen und Fertigkeiten, insbesondere auch in Lern- und Prüfungsaufgaben; (3) Nachhaltigkeit und Anschlussfähigkeit von historischem Wissen und Können auch im Hinblick auf lebenslanges Lernen. Die Kompetenzorientierung stützt sich dabei auf etablierte didaktische Prinzipien des Unterrichts wie Quellenorientierung, Multiperspektivität, Kontroversität, Multikausalität, Gegenwartsbezug, Handlungsorientierung, entdeckend-forschendes Lernen und Fremdverstehen. Die einheitlichen Prüfungsanforderungen gelten weiterhin, insbesondere die Anforderungsbereiche, welche durch Operatoren gesteuert werden.

2.1 Kompetenzstrukturmodell

Kompetenzstrukturmodell "Geschichte"

Das Kompetenzmodell bildet das Selbstverständnis eines kompetenzorientierten Geschichtsunterrichts ab und beschreibt Kompetenzen, die für das Verständnis des Fachlehrplans und somit für die Planung und Durchführung von Unterricht grundlegend sind. Es bildet als Kompetenzstrukturmodell jedoch nur prozessbezogene Kompetenzen sowie die Gegenstandsbereiche ab. Die Beschreibung der Entwicklung von Kompetenzen erfolgt in den Grundlegenden Kompetenzen und im Fachlehrplan.

Die grafische Darstellung des Kompetenzstrukturmodells unterscheidet im Wesentlichen zwei Ebenen (blau): Die Gegenstandsbereiche Zeit, Raum und Zugänge bilden den Kern. Die prozessbezogenen Kompetenzen umrahmen diesen und sind als Ringe dargestellt. Sach-, Methoden- und Urteilskompetenz bilden den inneren Ring und stellen die Basis von historischem Wissen und Können dar. Sie bedingen sich gegenseitig und stehen somit zueinander in Bezug. So können Schülerinnen und Schüler beispielsweise Sachkompetenz selbstaktiv nur erwerben, indem sie Quellen und Darstellungen mithilfe von Methodenkompetenz auswerten. Urteilskompetenz erfordert wiederum Sach- und Methodenkompetenz, weil ein historisches Urteil ohne Kenntnis der Sache nicht sinnvoll ist. Deshalb befinden sich diese drei Kompetenzen gemeinsam auf einem inneren Ring.

Narrative Kompetenz und Orientierungskompetenz, die abstrakter sind, bilden den äußeren Ring. Dabei sind diese beiden Kompetenzen nicht ohne die historischen Kompetenzen des inneren Rings denkbar: Um beispielsweise zu erkennen, dass Geschichte nur über eine historische oder gegenwärtige Konstruktion existiert (Narrative Kompetenz), braucht es Sach-, Methoden- und Urteilskompetenz.

Neben Gegenstandsbereichen und prozessbezogenen Kompetenzen erscheint im Horizont des Modells das Geschichtsbewusstsein als übergeordnete Perspektive. Das Geschichtsbewusstsein versteht sich als Dimension menschlichen Bewusstseins, das unabhängig von jedem Unterricht existiert. Es ist also weder ein erlernbarer Inhalt noch eine erwerbbare Kompetenz, sondern kann mithilfe des Kompetenzerwerbs von den Schülerinnen und Schülern zunehmend kritisch reflektiert werden. Die Entwicklung eines kritischen Geschichtsbewusstseins befähigt die Heranwachsenden, am geschichtskulturellen Diskurs der Gegenwart teilzuhaben.

Sachkompetenz

Anhand zentraler historischer Entwicklungen und Ereignisse sowie Grundlegender Daten und Begriffe erwerben die Schülerinnen und Schüler eine chronologische und fachterminologische Grundlage, die ihnen hilft, das geschichtliche Kontinuum zu gliedern und zeittypische wie langfristige Strukturen zu verstehen. Sie verfügen schließlich über transferierbares und anschlussfähiges Wissen über Zeit, Raum und Zugänge, um quellenbasiert an historischen Themen zu arbeiten. Sie erkennen die sinnstiftende Bedeutung von Daten für die Geschichtskultur und verwenden Daten und Begriffe sicher und reflektiert, um auch komplexe historische und aktuelle Zusammenhänge zu analysieren, darzustellen und zu diskutieren. Damit sind die Schülerinnen und Schüler in der Lage,  stimmige historische Narrationen zu verfassen und Einsicht in den Konstruktcharakter von Geschichte zu gewinnen (Narrative Kompetenz) sowie ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, dass historisches Wissen einem Wandel unterworfen ist (Orientierungskompetenz).

Methodenkompetenz

Die Schülerinnen und Schüler erwerben die Fähigkeit, Quellen verschiedener Gattungen (z. B. gegenständliche Quellen, Textquellen, Bildquellen, Tondokumente und Filme) und Darstellungen (z. B. Schulbuchtexte, fachwissenschaftliche und journalistische Texte, Grafiken und Statistiken, Geschichtskarten) zu analysieren und zu interpretieren. Methodenkompetenz bedeutet für das Fach Geschichte u. a., zwischen Quelle und Darstellung zu unterscheiden sowie Informationen aus Narrationen unterschiedlicher Art zu entnehmen. Die Schülerinnen und Schüler sind imstande, Spezifika und Aussagepotenziale von Quellengattungen und Darstellungsformen zu bestimmen und zu bewerten. Dazu gehört auch der reflektierte Umgang mit nicht wissenschaftlichen Ausformungen der Geschichtskultur (z. B. Spielfilme, Comics und digitale Medien). Auf der Grundlage von Methodenkompetenz rekonstruieren sie mithilfe von Quellen und Darstellungen historische Sachverhalte und verfassen eigene triftige und adressatengerechte Narrationen (Narrative Kompetenz). Die Methodenkompetenz umfasst auch die sinnvolle Nutzung analoger und digitaler Medien und den angemessenen Einsatz moderner Präsentationsformen.

Urteilskompetenz

Die Schülerinnen und Schüler entwickeln die Fähigkeit, zwischen Sach- und Werturteilen zu unterscheiden. Sie gelangen zu argumentativ gestützten Sachurteilen, indem sie beispielsweise zwischen Ursachen und Folgen differenzieren und historische Entwicklungen zunehmend multikausal beurteilen.

An geeigneten Beispielen lernen Schülerinnen und Schüler, begründete Werturteile zu fällen. Sie beurteilen historische Sachverhalte auf der Basis zunehmend reflektierter Wertvorstellungen und erkennen dabei die Andersartigkeit von Wertmaßstäben, die aus früheren Epochen oder anderen kulturellen Kontexten stammen. Sie setzen sich kritisch mit bereits vorhandenen Urteilen in Quellen und Darstellungen auseinander und sind schließlich imstande, schlüssig entfaltete, differenzierte Argumentationen zu verfassen, in denen sie ihre Position vertreten, Argumente überzeugend gewichten und Gegenargumente berücksichtigen. Dabei beachten sie den Adressatenbezug und formulieren terminologisch angemessen.

Narrative Kompetenz

Die Schülerinnen und Schüler gewinnen die Erkenntnis, dass Geschichte wesentlich über Narrationen, also erzählende  Darstellungen von Vergangenem, vermittelt und somit von handelnden Subjekten konstruiert wird. Die Narrative Kompetenz hat somit eine erkenntnistheoretische (Geschichte als Konstrukt) und eine konkrete (z. B. Verstehen und Verfassen von Texten) Bedeutung. Letztere beinhaltet wiederum eine rezeptive und eine produktive Dimension. Im Unterricht und in der Aufgabenkultur dominiert die konkrete Bedeutung der Narrativen Kompetenz: Die Schülerinnen und Schüler nutzen die aus Quellen und Darstellungen entnommenen Informationen, bewerten ihre Aussagekraft und berücksichtigen die Perspektive (sachliche Schilderung, subjektiver Tagebucheintrag etc.). Auf der Grundlage ihrer Auswertungen erstellen sie z. B. in Lern- und Prüfungsaufgaben selbst Narrationen und reflektieren diese kritisch. Für das Erstellen eigener Narrationen greifen sie auch auf verschiedene Präsentationsformen zurück.

Orientierungskompetenz

Orientierungskompetenz haben Schülerinnen und Schüler zunächst erworben, wenn sie sich mithilfe von Sachkenntnissen sicher in Raum und Zeit orientieren können, also einen Überblick über historische Geographie und Chronologie gewonnen haben. Sie entwickeln aber auch die Kompetenz, sich auf grundsätzlichere Weise in Geschichte und Gegenwart zu orientieren, um mit komplexen Frage- und Problemstellungen in einer globalisierten Welt umgehen zu können. Der Unterricht unterstützt die Jugendlichen dabei, auch eigene Fragestellungen zu historischen Sachverhalten zu entwickeln und zu beantworten. In Abhängigkeit vom Lernalter sind diese ganz konkreter Natur („Weshalb fügen sich Sklaven ihrem harten Schicksal?“) oder umfassender und grundsätzlicher („Lassen sich aus der Weltwirtschaftskrise 1929 nützliche Erkenntnisse für gegenwärtige globale Wirtschaftsfragen ziehen?“). Orientierungskompetente Schülerinnen und Schüler beziehen ihr Denken und Handeln auch auf die Geschichte, indem sie das eigene Weltbild hinterfragen, Selbst- und Fremdbilder reflektieren und sich als Mitgestalter einer pluralen Gesellschaft betrachten. Dabei entwickeln sie wertebasiert Maßstäbe für ihr Handeln und führen ihr Leben selbstbestimmt und mündig.

2.3 Gegenstandsbereiche

Grundlage des Kompetenzerwerbs im Fach Geschichte sind die historischen Gegenstandsbereiche. Sie umfassen von der Unterstufe bis zur Oberstufe zeitlich und räumlich die Gesamtheit des Faches von der Antike bis zur Gegenwart, von der Lokalgeschichte bis zur Weltgeschichte und berücksichtigen neben der politischen Ereignisgeschichte auch viele weitere Zugänge wie Kultur- und Gesellschaftsgeschichte. Im Kompetenzstrukturmodell finden sich die Gegenstandsbereiche des Faches im Inneren der Kompetenzkreise:

  • Zeit: historische Epochen, z. B. Vor- und Frühgeschichte, Antike, Mittelalter, Frühe Neuzeit, 19. Jahrhundert, 20. Jahrhundert und Zeitgeschichte
  • Raum: Lokal-, Regional- und Landesgeschichte, nationale und transnationale Geschichte, europäische Geschichte und Weltgeschichte
  • Zugänge: politische Geschichte, Gesellschaftsgeschichte, Alltagsgeschichte, Wirtschaftsgeschichte, Kulturgeschichte etc.

3.1 Bedeutung der Grundlegenden Kompetenzen für den Fachlehrplan

Die Grundlegenden Kompetenzen verdeutlichen die Gesamtidee des Fachs Geschichte in jeder Jahrgangsstufe, indem sie die Summe der Lernbereiche und Kompetenzerwartungen abbilden. Sie umfassen Kompetenzen, die in dieser Jahrgangsstufe mit nachhaltiger Wirkung aufgebaut oder gestärkt werden, und beschreiben, über welches Wissen und Können die Schülerinnen und Schüler als Ergebnis des Lernprozesses verfügen sollen.

Die Grundlegenden Kompetenzen und die Kompetenzerwartungen im Fachlehrplan entsprechen sich inhaltlich wie terminologisch, stehen aber in einem hierarchischen Verhältnis zueinander. Daher sind die Grundlegenden Kompetenzen allgemeiner formuliert. Sie bilden alle Kompetenzbereiche des Kompetenzstrukturmodells in einer Jahrgangsstufe ab. Die Reihenfolge orientiert sich dabei am Abstraktionsgrad dieser Kompetenzbereiche: Orientierungskompetenz, Narrative Kompetenz, Urteilskompetenz, Methodenkompetenz und Sachkompetenz. Die Formulierung zur Sachkompetenz enthält jeweils zusammenfassend die neuen Grundlegenden Daten und Begriffe, die in der Jahrgangsstufe verbindlich gesichert sein sollen, damit die Schülerinnen und Schüler dauerhaft auf sie zurückgreifen können.

Ferner bilden die Grundlegenden Kompetenzen die Progression des Kompetenzerwerbs im Laufe des gymnasialen Geschichtsunterrichts in drei Stufen ab, nämlich für die Jahrgangsstufen 6 und 7, 8 bis 10 sowie 11 bis 13. Für die Qualifikationsphase werden die Grundlegenden Kompetenzen gemeinsam ausgewiesen, da die beiden Jahrgangsstufen 12 und 13 abiturrelevante Kompetenzen auf demselben Niveau festlegen.

3.2 Struktur des Fachlehrplans

Der Fachlehrplan untergliedert sich pro Jahrgangsstufe in mehrere Lernbereiche, deren ungefährer zeitlicher Umfang durch Angaben zu den veranschlagten Unterrichtstunden umrissen wird. Für jeden Lernbereich werden Kompetenzerwartungen und Inhalte getrennt ausgewiesen.

Kompetenzerwartungen

Die Kompetenzerwartungen enthalten Aussagen darüber, was die Schülerinnen und Schüler nach Abschluss eines Lernbereichs, also nach dem Durchlaufen einer bestimmten Phase des Kompetenzerwerbs, können sollen. Der Fachlehrplan verzichtet jedoch stilistisch auf modale Formulierungen (z. B. können, imstande sein), sodass die Operatoren jeweils das Hauptverb bilden und somit optisch an prominenter Stelle stehen.

Die Kompetenzerwartungen jedes Lernbereichs greifen alle Kompetenzbereiche des Kompetenzstrukturmodells auf, wobei sie gegenüber den Grundlegenden Kompetenzen (Kapitel 3) konkretisiert und ausdifferenziert werden. Die Anordnung der Kompetenzerwartungen eines Lernbereichs beginnt mit dem Allgemeinen und wird dann konkreter.

Die jeweils erste Kompetenzerwartung präsentiert im Sinne eines Leitprinzips einen den gesamten Lernbereich überformenden Aspekt und bezieht sich immer auf die Orientierungskompetenz. Die Formulierung entspricht dabei dem hierarchischen Grundmuster, dass zunächst ein angestrebter Erkenntnisgewinn formuliert wird. Darauf folgt eine Aussage, inwiefern die Schülerinnen und Schüler aus ihren historischen Erkenntnissen einen Nutzen für die Orientierung in Geschichte und Gegenwart ziehen können. Dies wird konkretisiert durch ein Beispiel bzw. den Hinweis auf einen unmittelbaren Anwendungsbezug.

Die sich anschließenden Kompetenzerwartungen decken in wechselnden Kombinationen die verschiedenen Kompetenzbereiche ab und stellen konkrete Bezüge zu Inhalten des Lernbereichs her. In ihrer Reihenfolge spiegeln die Kompetenzerwartungen weder zwangsläufig den vorstrukturierten Verlauf einer Unterrichtssequenz noch entsprechen sie schematisch Einzelstunden, sondern sie beschreiben unterschiedlich umfangreiche Aspekte des Lernbereichs. Sie können sich daher auf eine ganze Sequenz, auf eine Unterrichtsstunde oder nur auf Einzelaspekte einer Stunde beziehen. Die Kompetenzerwartungen verstehen sich auch als ein Angebot für die Unterrichtsplanung, ohne allerdings den Unterrichtsverlauf festlegen zu wollen und Unterrichtsmethoden verbindlich vorzuschreiben. Der entscheidende Fokus bei den Kompetenzerwartungen liegt vielmehr auf den zu erwerbenden Fähigkeiten und Fertigkeiten.

Den Abschluss bilden jeweils Kompetenzerwartungen mit Grundlegenden Daten und Begriffen, auf die die Schülerinnen und Schüler im Sinne des nachhaltigen Lernens dauerhaft zurückgreifen sollen. Grundlegende Daten und Begriffe sind immer kursiv gesetzt und können in dieser Form auch in anderen Kompetenzerwartungen enthalten sein.

Inhalte

Neben den Kompetenzerwartungen legt der Fachlehrplan Inhalte als Basis des Kompetenzerwerbs fest. Diese sind in den Jahrgangsstufen 6 bis 11 so allgemein formuliert, dass der Lehrkraft Raum für eine individuelle und flexible Unterrichtsgestaltung bleibt. Die Inhalte in Kombination mit den Kompetenzerwartungen begrenzen den Stoff, bieten bewährte und altersgemäße Themen und folgen in der Regel der traditionellen Epocheneinteilung. Die Schülerinnen und Schüler erhalten somit einen an der Chronologie historischen Geschehens orientierten Überblick über Epochen und Räume der Geschichte. Dabei liegt der Schwerpunkt auf Grundlinien deutscher und europäischer Geschichte, die mit zunehmendem Lernalter immer häufiger durch globale Themen ergänzt werden.

Längsschnitte

Zur Wiederholung, Vernetzung und Vertiefung dienen die Längsschnitte, die bedeutsame Aspekte der Geschichte genauer verfolgen, an bereits Gelerntem anknüpfen und dieses unter anderer Perspektive weiterentwickeln. Sie verbinden verschiedene Lernbereiche und ab Jahrgangsstufe 7 auch verschiedene Jahrgangsstufen. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der nachhaltigen Einübung der Methodenkompetenz sowie der Wiederholung und Anwendung der Grundlegenden Daten und Begriffe, die in jedem Längsschnitt noch einmal in themenbezogener Auswahl ausgewiesen werden. Zugleich stellen die Längsschnitte verstärkt Bezüge zu Alltag und Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler her, werden aber im Hinblick auf den entwicklungspsychologischen Stand zunehmend abstrakter. Die Längsschnitte stellen Inhalte verschiedener Epochen in kontrastiver Betrachtungsweise gegenüber und decken repräsentativ das Spektrum struktureller Zugänge wie z. B. Alltags-, Wirtschafts-, Geschlechter- oder Kulturgeschichte ab.

Die Schülerinnen und Schüler werden in Unter- und Mittelstufe in jeweils zwei Längsschnitten pro Jahrgangsstufe (6 und 7) bzw. einem (8 und 9) mit dem Strukturprinzip und den dahinterstehenden Formen des historischen Denkens vertraut gemacht, sodass sie es in der von zwei großen Längsschnitten gebildeten Jahrgangsstufe 11 sicher anwenden können. Sie sichern und vertiefen damit in besonderer Weise historische Kompetenzen mit Blick auf die beiden abschließenden abiturrelevanten Jahrgangsstufen.

Qualifikationsphase und Abitur

Im Fachlehrplan der Jahrgangsstufen 11, 12 und 13 stehen Kompetenzerwartungen und Inhalte in einem anderen Verhältnis zueinander als in Unter- und Mittelstufe. Während die Inhalte mit Blick auf die zentrale Abiturprüfung detaillierter angeführt werden, sind die Kompetenzerwartungen in der Qualifikationsphase meist knapper und allgemeiner formuliert. Wie in den Jahrgangsstufen 6 bis 10 bezieht sich die jeweils erste Kompetenzerwartung eines Lernbereichs immer auf die Orientierungskompetenz und gibt in umfassender Weise die thematische Schwerpunktsetzung an. Weitere Kompetenzerwartungen decken die verschiedenen Kompetenzbereiche ab. Im Rahmen der abschließenden Kompetenzerwartung zur Sachkompetenz werden für jeden Lernbereich die relevanten Grundlegenden Daten und Begriffe aus den Jahrgangsstufen 6 mit 10 angeführt.

Der Geschichtsunterricht der Qualifikationsphase ist thematisch ausgerichtet, orientiert sich aber zugleich auch an der Chronologie als Ordnungsprinzip. Er berücksichtigt ferner verschiedene Zugänge wie Politik- und Gesellschaftsgeschichte, Ideen- oder Kulturgeschichte. Den übergeordneten Halbjahresthemen sind jeweils zwei Lernbereiche zugeordnet.

Die für das Abitur auf grundlegendem sowie auf erhöhtem Anforderungsniveau relevanten Kompetenzen finden sich zusammengefasst in den jeweiligen Grundlegenden Kompetenzen für die Jahrgangsstufen 12 und 13.

Grundlegendes und erhöhtes Anforderungsniveau

Die Wahl des Fachs Geschichte als Leistungsfach bietet Raum für eine vertiefte Auseinandersetzung mit der Vergangenheit sowie ausgewählten Aspekten der Geschichtswissenschaft. Das Leistungsfach erweitert somit die Möglichkeiten zum Erwerb und zur Anwendung historischer Kompetenzen. Im Zentrum steht dabei eine vertiefte Beschäftigung mit den Themen, die auch im grundlegenden Anforderungsniveau gesetzt sind. Dies wird durch erweiterte und vergleichende Fragestellungen ebenso wie durch eine zeitliche und/oder geographische Weitung des Fokus erreicht. Dabei nehmen die Vertiefungsmodule einen besonderen Stellenwert ein.

4 Zusammenarbeit mit anderen Fächern

Der Geschichtsunterricht steht in engem Bezug zu anderen Fächern. Die im Fach Geschichte erworbenen historischen Kompetenzen helfen, Inhalte anderer Fächer zu verstehen, Erkenntnisse zu bewerten und zu vernetzen. Seinerseits profitiert Geschichte auch erheblich von anderen Fächern, wie Deutsch, Latein, Religionslehre, Ethik, Geographie, Kunst und Musik. Dies gilt insbesondere für das Fach Englisch, das über die Jahrgangstufen hinweg u. a. Themen der englischen und amerikanischen Geschichte aufgreift und so entscheidend zum Aufbau eines historischen Bewusstseins beiträgt. Diese wechselseitige Beziehung zu Englisch, aber auch zu den anderen modernen Fremdsprachen, kommt in besonderem Maße im bilingualen Unterricht zur Geltung. Die Verwendung einer Fremdsprache als Arbeitssprache ermöglicht ein vertieftes Verständnis anderer Kulturen und eröffnet neue Perspektiven.

Von besonderer Bedeutung ist zudem die Verbindung mit dem Fach Politik und Gesellschaft, das in vielen Themenbereichen die diachrone Betrachtungsweise der Geschichte durch eine synchrone Perspektive ergänzt.

Werteerziehung

Das Fach Geschichte thematisiert das menschliche Handeln und dessen Konsequenzen in der Vergangenheit mit historischer und aktueller Relevanz. Die Auseinandersetzung mit den Konsequenzen des menschlichen Handelns, z. B. in der Zeit des Nationalsozialismus, ermöglicht es den Schülerinnen und Schülern, auf der Grundlage der Achtung vor dem Leben und der Würde des Menschen eigene, reflektierte Werthaltungen zu finden. Das Unterrichtsprinzip der Multiperspektivität hilft ihnen, unterschiedliche Überzeugungen zu respektieren sowie aufgeschlossen und tolerant in einer pluralen Gesellschaft zu handeln.

Soziales Lernen

Im Geschichtsunterricht entwickeln Schülerinnen und Schüler Respekt vor und Toleranz gegenüber anderen Standpunkten, indem sie am historischen Beispiel zur Einnahme anderer (fremder) Perspektiven angeregt werden. Sie lernen auf dieser Grundlage, ihren eigenen Standpunkt verantwortlich zu vertreten. Die Schülerinnen und Schüler erkennen die Bedeutung von Zivilcourage in einer offenen und demokratischen Gesellschaft und begreifen, dass die Bereitschaft zur Diplomatie eine Voraussetzung für friedliche Konfliktlösung ist. Diese Aspekte führen die Jugendlichen zur Einsicht, dass die Achtung der Würde anderer Menschen ein zentraler Wert und eine der wesentlichen Grundlagen einer pluralen Gesellschaft ist.

Sprachliche Bildung

Geschichtliches Lernen bedingt, schriftliche und mündliche Quellen und Darstellungen als sprachliche Produkte zu untersuchen. Schülerinnen und Schüler rezipieren fremde Texte und nutzen diese, um Erkenntnisse über geschichtliche Prozesse und Techniken historischen Arbeitens zu gewinnen. Dabei entwickeln sie auch Strategien, unbekannte und fremde Begriffe z. B. aus dem Fachwortschatz, dem historischen Sprachgebrauch oder anderen Kulturkreisen zu erschließen und zu verstehen. Zur Kommunikation über Untersuchungsergebnisse und Unterrichtsgegenstände formulieren sie ihre Erkenntnisse in einer angemessenen und verständlichen Sprache. Diese – rezeptiv wie produktiv zu verstehende – Narrative Kompetenz ist Ausdruck der zentralen Bedeutung des sprachlichen Lernens im Geschichtsunterricht.

Politische Bildung

Schülerinnen und Schüler beschäftigen sich im Geschichtsunterricht jeder Jahrgangsstufe mit der politischen Geschichte. Insbesondere thematisieren und reflektieren sie dabei die historische Entwicklung der Demokratie, die Geschichte der freiheitlichen demokratischen Grundordnung sowie der Grundrechte. In der Auseinandersetzung mit historischen Beispielen erkennen sie in besonderem Maße den Wert der Freiheit und der Menschenrechte. Sie verstehen auf dieser Grundlage, dass ihre aktive Teilhabe am politischen Prozess zu einer positiven wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung und zum Erhalt des Friedens beitragen kann. Beispiele aus der Geschichte von der Ebene der Weltgeschichte bis hin zur Lokalgeschichte ermutigen sie, aktuelle politische und gesellschaftliche Herausforderungen anzunehmen und Veränderungen zu gestalten.

Kulturelle Bildung

Die Geschichte der Kunst und Kultur ist ein zentraler Bestandteil des Geschichtsunterrichts. Die Schülerinnen und Schüler gewinnen in der Auseinandersetzung mit Kultur und Künsten in der Geschichte, z. B. auch in der Form von Bauwerken und Denkmälern und beim Besuch von Museen, aber auch bei der Beschäftigung mit populären Ausformungen der Geschichtskultur, ein Bewusstsein für deren Bedeutung, Funktion und Wirkung in der Gesellschaft. Sie entwickeln am historischen Beispiel die Fähigkeit zu differenziertem ästhetischen Wahrnehmen und Erleben von Kultur und Künsten. Sie schätzen diese als Bereicherung des gesellschaftlichen Lebens.

Interkulturelle Bildung

Interkulturelle Bildung ist in der offenen und pluralen Gesellschaft die Grundlage für ein friedvolles Zusammenleben auf der Basis der Menschenwürde und unserer gemeinsamen demokratischen Werte, insbesondere der Grund- und Menschenrechte. Interkulturelle Bildung ermöglicht über die Auseinandersetzung mit kulturspezifischen Charakteristika und durch die Entwicklung kultursensiblen Verhaltens den Erwerb interkultureller Kompetenz.

Der Geschichtsunterricht trägt zur interkulturellen Bildung bei, indem die Schülerinnen und Schüler elementare Kenntnisse über andere Kulturen und Religionen sowie deren historische Wurzeln und Entwicklung erwerben. Das Unterrichtsprinzip der Multiperspektivität hilft zu begreifen, dass gerade vor dem Hintergrund kulturspezifischer Vorstellungen identische historische Sachverhalte unterschiedlich erklärt, gedeutet und beurteilt werden können. So entwickeln Schülerinnen und Schüler Interesse und Offenheit, gegenseitigen Respekt sowie Toleranz gegenüber anderen Menschen zu anderen Zeiten und in anderen Kulturen, z. B. hinsichtlich Lebensführung, Sprache und Religion.

Medienbildung/Digitale Bildung

Die Analyse von Quellen und Darstellungen im Geschichtsunterricht erfordert es, verschiedene Medien reflektiert zu bewerten. Die Schülerinnen und Schüler üben im Geschichtsunterricht am historischen Beispiel übertragbare Fertigkeiten zur reflektierten Einschätzung von Medien, die sie zum sachgerechten, selbstbestimmten und verantwortungsvollen Handeln in einer multimedial geprägten Gesellschaft befähigen. Dabei vermittelt der Geschichtsunterricht, z. B. bei der Auseinandersetzung mit Wahlplakaten, Flugblättern, Spiel- und Dokumentarfilmen, Kompetenzen, die es dem Einzelnen ermöglichen, Strategien der Massenbeeinflussung zu identifizieren und zu durchschauen. Ferner bewerten die Schülerinnen und Schüler die Qualität digitaler Angebote mit historischen und historisierenden Inhalten anhand vorgegebener Analysekriterien und lernen, diese reflektiert und zielorientiert zu nutzen.

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