Theater und Film gehört zu den Fächern, die einen ästhetisch-expressiven Modus der Weltbegegnung ermöglichen. Bei deren Auseinandersetzung stehen Fragen im Vordergrund wie z. B.: Wie begegnet mir Wirklichkeit? Welche Wirklichkeit begegnet mir in Werken der Theater- und Filmkunst? Wie kann ich Wirklichkeit ausdrücken? Wie kann ich Wirklichkeit gestaltend hervorbringen? Wie kann ich Wirklichkeit gestaltend verändern?
Dabei begegnen die Schülerinnen und Schüler einerseits einem kulturell tradierten Erbe in Form von Filmen, Stücken, Aufführungspraxis und Rezeptionshaltungen. Andererseits kommen sie auch mit kulturellen Praktiken aus vielen gesellschaftlich relevanten Feldern (z. B. Alltag, Religion, Werbung, Medien, Politik, Ökonomie) in Berührung, die als Praktiken einer Weltbegegnung wahrgenommen und reflektiert werden. Durch einen produktiv-gestaltenden Umgang mit diesen Praktiken lernen sie, dass diese kulturell tradiert sind, Haltungen zu Welt und Wirklichkeit widerspiegeln und potenziell veränderbar sind. Die Schülerinnen und Schüler erlangen ein Verständnis über die Inszenierungsmöglichkeiten von Wirklichkeit und gestalten selbst inszenierte Wirklichkeiten. Ebenso erkennen sie, dass Wirklichkeiten performativ (d. h. durch Handeln und Tun) hervorgebracht und konstituiert werden.
Theater und Film schult die Fähigkeit, diese doppelte Perspektive bei Wahrnehmung, Gestaltung und Rezeption einnehmen zu können: Einerseits den Vollzug von Handlungen und Praktiken an sich, die das bedeuten, was sie sind, z. B. Performances und Experimentalfilm. Andererseits Handlungen und Praktiken, denen eine symbolische kulturell tradierte Bedeutung zukommt, z. B. Körper, Raum, Objekt, Interaktion als Zeichen für etwas.
Theater- und Filmunterricht zeichnet sich durch Produktions- und Projektorientierung aus; dabei fließen wahrnehmungs- und rezeptionstheoretische Grundlagen in den ästhetischen Gestaltungsprozess ein und bedingen sich gegenseitig. Theater und Film als soziale Kunstformen beruhen auf demokratischen Aushandlungsprozessen, schulen demokratische Tugenden wie z. B. Kompromissbereitschaft, wertschätzendes Argumentieren und Akzeptanz von Mehrheitsentscheidungen, um zu einem gemeinsamen Gestaltungsergebnis zu kommen.
Theater und Film sind gestaltete und zu gestaltende Reflexionsmedien von tradierter Kultur und kulturellen und medial geprägten Praktiken. Auf produktiv-rezeptive Weise machen sie die Konstruiertheit und die Konstruktion von Wirklichkeit transparent und bewirken einen Erkenntnisgewinn. Mit Präsentationen in der Schulöffentlichkeit positionieren sich die Schülerinnen und Schüler mit ihren Anliegen und stellen sich einem gesellschaftlichen Diskurs. Über den schulischen Rahmen hinaus schafft das Fach Theater und Film die Basis für ein lebenslanges Interesse an diesen Kunstformen, an kulturellen Praktiken und dem gesellschaftlich innovativen Potenzial für gestaltende Reflexion von Wirklichkeit. Das Fach befähigt zur aktiven und kreativen Partizipation am gesellschaftlichen und kulturellen Leben der Gegenwart.
Beitrag zur Bildung
Theater und Film zielen nicht nur auf eine Reproduktion gegebener kultureller Ordnungen und ihrer symbolischen Formen ab. Sie beinhalten zusätzlich auch immer eine zumindest implizite oder praktisch-produktive Positionierung zu diesen Ordnungen und Formen. Derartige Positionierungen ermöglichen – im Sinne der kulturellen, interkulturellen und digitalen Bildung – eine Selbstreflexion wie auch eine Reflexion kultureller Praxis. Durch die Möglichkeit einer fortwährenden Neubewertung des Zusammenhangs von kultureller Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Menschen trägt das Fach Theater und Film zu einer nachhaltigen Entwicklung bei und verortet sich zwischen Tradition und Transformation.