Deutsch als Zweitsprache
1.1 Bedeutung und Aufgabe des Faches
Sprachverstehen und Sprachhandlungsfähigkeit sind grundlegend für die Entwicklung zu einem selbstbewussten, sozial aktiven, verantwortungsvollen und an Bildung interessierten Menschen. Dies gilt für die jeweiligen Erstsprachen der Schülerinnen und Schüler genauso wie für die deutsche Sprache, zumal die rezeptive und produktive Verfügbarkeit der deutschen Sprache unabdingbare Voraussetzung für den schulischen Erfolg in allen Fächern, für den Zugang zu allen Bildungsgängen sowie für die berufliche Zukunft ist. Das Erlernen von Sprachen ist ein wichtiges Bildungsziel. Gerade mehrsprachige Schülerinnen und Schüler erfahren durch die Einbeziehung ihrer Erstsprachen eine Wertschätzung ihrer vielfältigen sprachlichen Ressourcen. Diese sind zugleich eine wichtige Basis für den Erwerb der Zweitsprache Deutsch. Die Wertschätzung der Mehrsprachigkeit fördert die Identitätsfindung, die Akzeptanz der Lebenssituationen im Einflussbereich mehrerer Kulturen und ist für eine gelungene Integration von großer Bedeutung.
Der Unterricht in Deutsch als Zweitsprache ist in allen organisatorischen Formen (Einzelförderung, Unterricht in speziellen Klassen und Gruppen zur Sprachförderung) in den weiterführenden Schulen möglich. Bis die Schülerinnen und Schüler in der Lage sind, dem Unterricht in einer Regelklasse zu folgen, tritt das Fach Deutsch als Zweitsprache im Allgemeinen an die Stelle des Deutschunterrichts. Die Vernetzung der Lehrpläne Deutsch und Deutsch als Zweitsprache ermöglicht auch die individuelle Sprachförderung integriert in Regelklassen. Das Fach fördert den Lernfortschritt in der Kommunikation zur Bewältigung der Alltagssprache und trägt zur Herausbildung der grundlegenden fach- und bildungssprachlichen Kenntnisse der jeweiligen Unterrichtsfächer bei. Zudem leitet es zum kompetenten Umgang mit Texten und Medien an. Zeitgleich erweitern die Lernenden sukzessive ihren individuellen Wortschatz und drücken sich zunehmend differenzierter aus. Desgleichen eignen sie sich ein Repertoire an grammatikalischen Strukturen an, die sie durch die Anwendung in unterschiedlichen Zusammenhängen festigen und automatisieren. Im Zuge der Spracherweiterung gehen die Schülerinnen und Schüler auch mit verschiedenen Texten und Medien sicherer um. Dies geschieht insbesondere im Hinblick auf die spätere Berufs- bzw. Studienwahl. Dabei gehört zu den Aufgaben des Faches, Anfängerinnen und Anfänger sowie bereits Fortgeschrittene soweit in der deutschen Sprache zu fördern, dass sie erfolgreich im bayerischen Schulsystem und seinen weiterführenden Bildungswegen lernen und zu entsprechenden Abschlüssen gelangen. Wann die angestrebten Kompetenzen erreicht werden, hängt vom Aufnahmezeitpunkt in die Schule, den individuellen Vorkenntnissen und Lernfortschritten, dem sozialen Umfeld sowie der Besonderheit der Kombination aus ungesteuertem und gesteuertem Zweitspracherwerb ab. Auch Sprachlernende mit sonderpädagogischem Förderbedarf erwerben im Fach Deutsch als Zweitsprache im Rahmen der entsprechenden Fördermaßnahmen grundlegende Sprachhandlungsfähigkeiten in der deutschen Sprache, die ihnen einen Übergang in weitere Angebote der schulischen und beruflichen Eingliederung sowie eine selbständige Lebensgestaltung ermöglichen.
1.2 Kompetenzerwerb im Unterricht für Deutsch als Zweitsprache
Das Fach Deutsch als Zweitsprache knüpft in besonderer Weise an die jeweilige Lernausgangslage der Schülerinnen und Schüler an und bahnt eine positive Einstellung zur deutschen Sprache und Kultur an, die sukzessive ausgebaut wird. Der Spracherwerb verläuft individuell unterschiedlich. Er hängt vom Lerntempo, von der Sprachenbiografie, von Vorerfahrungen und vorhandenen Kompetenzen jeder einzelnen Schülerin und jedes einzelnen Schülers ab. Eine wesentliche Rolle spielen dabei auch die unmittelbare Lebensumwelt, die Lernmotivation sowie der Unterricht. Für die Lernenden ist der Besuch einer Schule in einer deutschsprachigen Umgebung zunächst eine Begegnung mit Unbekanntem, nicht nur in sprachlicher Hinsicht. Die Schülerinnen und Schüler sind von einer Vielzahl oft unverständlicher Informationen und Verhaltensweisen eingenommen. Für die Lehrkräfte sind eine positive Willkommenskultur sowie zwischenmenschliches Feingefühl unabdingbar. Diese tragen zu einer positiven Haltung der Schülerinnen und Schüler zur gesellschaftlichen Umwelt bei, unterstützen das Bemühen sowohl um Integration als auch um Wahrung der eigenen Identität und erzeugen eine emotionale Bindung an die deutsche Sprache, die wesentlich für deren Erwerb ist. Die Fächer Deutsch als Zweitsprache und Deutsch sind eng miteinander vernetzt. Die Ähnlichkeit im Aufbau der Deutschlehrpläne aller weiterführenden Schularten ermöglicht es, wechselseitige Anknüpfungspunkte zu finden. Die Auswahl der Kompetenzerwartungen orientiert sich fortlaufend am individuellen Sprachstand der Schülerinnen und Schüler. Das Fach Deutsch als Zweitsprache bietet den Schülerinnen und Schülern in unterschiedlichen Entwicklungsphasen des Spracherwerbs zielgerichtete sprachliche Förderung, ermöglicht ihnen Einblicke in verschiedene Facetten der deutschen Kultur und bindet ihre individuellen Erfahrungen in Bezug auf die verschiedenen Herkunftskulturen mit ein. Zudem haben alle anderen Fächer durch die kleinschrittige Darstellung der Kompetenzerwartungen die Möglichkeit, sich zu einem sprachsensiblen Unterricht anregen zu lassen, um damit dem Prinzip der durchgängigen Sprachbildung gerecht zu werden.
In einer positiven und vertrauensvollen Lernatmosphäre werden Interesse und Motivation, sich mit der deutschen Sprache auseinanderzusetzen, sie differenziert zu verstehen und sich in ihr zu verständigen, durch lernstandsgerechte und sprachsensible Aufgaben gefördert. Durch sprachliches Handeln in authentischen oder simulierten Situationen (z. B. Lernszenarien, Projekte an außerschulischen Lernorten, Natur- und Betriebserkundungen) sowie durch Themen des schulischen und außerschulischen Alltags entwickeln die Schülerinnen und Schüler ihre Sprachkenntnisse weiter.
Neben der in der Schule erworbenen Sprache greift der Unterricht auch ungesteuert erworbene Sprachkenntnisse aus der Lebenswirklichkeit der Lernenden auf (z. B. Dialekt, Umgangs- und Alltagssprache) und zieht sie zur Reflexion über Sprache heran. Die Analyse und Reflexion dieser kommunikativen Situationen, ggf. auch im Vergleich zu den jeweiligen Erstsprachen, bauen Sprachbewusstheit auf und tragen zum Sprachzuwachs bei.
Strategien zum Wortschatzerwerb, zur Wortschatz- und Texterschließung sowie Rechtschreib- und Textüberarbeitungsstrategien werden an konkreten Situationen eingeübt und durch Anwendung in vielfältigen Kontexten verinnerlicht. Eine deutlich artikulierte Lehrersprache in angemessener Geschwindigkeit unterstützt die Entwicklung phonologischer Bewusstheit in der deutschen Sprache. Für einen gelingenden Schriftspracherwerb und eine korrekte Rechtschreibung stellen die Alphabetisierung in lateinischen Schriftzeichen und die phonologische Bewusstheit in Verbindung mit einem gesicherten Wortbildgedächtnis wesentliche Voraussetzungen dar. Die Bewältigung einer Kommunikationssituation bedarf grundsätzlich des Zusammenspiels unterschiedlicher Kompetenzen. Deshalb werden im Fach Deutsch als Zweitsprache Kompetenzen in einem integrativen Sprachunterricht miteinander vernetzt erworben, ausdifferenziert, vertieft und geübt. Dabei sind sach- und methodenbezogenes, soziales und transkulturelles Lernen untrennbar miteinander verbunden. Sprachkompetenz wird in allen Fächern und Phasen des Unterrichts erworben.
Fehler stellen notwendige Schritte im Spracherwerbsprozess dar, da sie Aufschluss über den Lernstand der aktuellen Lernersprache geben. Ein produktiver Umgang mit Fehlern ist erforderlich, um diese nach und nach selbständig zu erkennen und bewusst vermeiden zu können. Es wird das fortgeschrittene Lebens- und Lernalter der Schülerinnen und Schüler berücksichtigt, die im Grundschulalter hauptsächlich sprachhandelnd in der Interaktion, im Jugendalter zunehmend reflektierend und strukturierend die Zweitsprache Deutsch erwerben.
Der Spracherwerb von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf kann z. B. durch geringe auditive Merkfähigkeit und phonologische Bewusstheit, Schwierigkeiten in der Motorik und Wahrnehmung und wenig ausgeprägte Lernstrategien beeinflusst sein. Ausgehend von den gegenwärtigen Lern- und Entwicklungsbedingungen der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf stehen ihnen erforderliche technische Medien sowie spezielle Lehr- und Lernmittel zur Verfügung, um durch ein Angebot an authentischen Kommunikationssituationen ihre Sprachkompetenz zu erweitern. Dadurch werden das Interesse und die Motivation für sprachliches Lernen und Entwickeln in sozial-interaktiven Prozessen gestärkt.
2.1 Kompetenzstrukturmodell
Dem Lehrplan liegen die Bildungsstandards im Fach Deutsch für den Hauptschulabschluss (2004) sowie die Bildungsstandards im Fach Deutsch für den Mittleren Bildungsabschluss (2003) der Kultusministerkonferenz (KMK) zugrunde.
Der Lehrplan Deutsch als Zweitsprache gilt für alle weiterführenden Schulen und beschreibt vier Kompetenzbereiche. Untergeordnet werden Teilbereiche mit deren jeweiligen Kompetenzerwartungen auf unterschiedlichen Kompetenzniveaus abgebildet. Die fachspezifischen Methoden und Arbeitstechniken sowie der Umgang mit Medien werden jeweils mit den Inhalten der Kompetenzbereiche erworben. Um die enge Verbundenheit der Fächer Deutsch und Deutsch als Zweitsprache, aber auch die spezifischen Aspekte des Zweitspracherwerbs darzustellen, stimmen die Kompetenzstrukturmodelle der beiden Fächer in ihrer Grundstruktur überein, unterscheiden sich jedoch bei der Benennung der Kompetenzbereiche im Detail und fachspezifisch bei den Teilbereichen.
Hören, Sprechen und Zuhören
Das Erlernen von Sprache geschieht durch sprachliche Interaktion zwischen Sprecherin bzw. Sprecher und Zuhörerin bzw. Zuhörer. Zu verstehen, zu sprechen und sich verstanden zu fühlen, ist hierfür die Grundlage. Die phonologische Bewusstheit in der Zielsprache Deutsch entwickelt sich u. a. im Kontrast zur Erstsprache. Sie setzt das Heraushören von Lauten, Silben und Sprachmelodien voraus und bildet die Basis für Aussprache, Lesefähigkeit, Rechtschreibung und Textproduktion. Aufgrund der Besonderheiten ihrer jeweiligen Erstsprache sind die Voraussetzungen für das Erlernen der deutschen Sprache unterschiedlich, sodass die Entwicklung von Hören, Sprechen und Zuhören folglich in unterschiedlichem Tempo verläuft. Der Lernprozess umfasst Hörverstehens- wie Hörsehverstehenskompetenzen, die vom Erschließen einzelner Wörter über das Verständnis einfach strukturierter Sätze hin zu Texten führen. Die kontextuelle Einbindung des Gesprochenen in kommunikative Situationen, auch mithilfe audiovisueller Medien, kommt dem Sprech- und Mitteilungsbedürfnis der Schülerinnen und Schüler entgegen. Hohe Sprechanteile der Jugendlichen in funktional unterschiedlichen Kommunikationssituationen sind von grundlegender Bedeutung für den Ausbau der Sprachkompetenz. Fehler sollten daher von den Lehrkräften behutsam korrigiert und produktiv aufgegriffen werden. Mit zunehmender Kompetenz im Zuhören, Verstehen und Sprechen wird die Zweitsprache sowohl zum Medium der Kommunikation im sozialen Handeln als auch zum Medium der Reflexion über die deutsche Sprache. Hierzu werden nonverbale und verbale Handlungsmuster sowie Rituale für den Unterrichts- und Alltagssprachgebrauch eingeübt, um Gesprächssituationen inner- und außerschulisch zu verstehen und zu bestehen. Damit gehen die Einführung und der schrittweise Erwerb der Fachsprache in allen Bereichen des Unterrichts einher. Das Verständnis der gesprochenen Sprache ist die Voraussetzung für den schulischen Lernerfolg und die gesellschaftliche Integration. Schwierigkeiten in der auditiven Wahrnehmung und Informationsverarbeitung sowie im sozial-emotionalen Verhalten können die Entwicklung des Kompetenzbereichs Hören, Sprechen und Zuhören beeinflussen. Der zielgerichtete Einsatz didaktischer und pädagogischer Unterstützungsmaßnahmen (z. B. Visualisierungen, Signalkarten) fördert den Kompetenzerwerb.
Lesen – mit Texten umgehen
Schülerinnen und Schüler in den weiterführenden Schulen begegnen in ihrer neuen Umgebung unterschiedlichen Texten auf Deutsch mit noch ungesicherten aktiven und passiven Wortschatzkenntnissen und ggf. unterschiedlichen Laut- und Schriftsystemen. Nach der Vorentlastung des Wortschatzes wird das Textverständnis durch stilles Lesen sowie durch Vorlesen angebahnt, dabei nonverbal und bildlich sowie im fortgeschrittenen Spracherwerb durch Erklärungen (z. B. Synonyme, Antonyme, Definitionen) unterstützt. Durch Vorlesen eigener Präsentationstexte, Vorstellen von Zeichnungen, Spielen in kleinen Szenen oder Einbeziehen der Erstsprachen durch die Schülerinnen und Schüler wird dieses Textverständnis überprüft und gefestigt. Mithilfe von Lesestrategien wird das laute sowie das sinnerfassende Lesen von Texten weiterentwickelt. Die Lehrkräfte achten auf eine geeignete Textauswahl und ‑entlastung. Um verschiedene Textsorten, Stilebenen, Textfunktionen und Gestaltungsmittel zu unterscheiden und zu reflektieren, setzen fortgeschrittene Schülerinnen und Schüler zunehmend selbständig Textrezeptionsstrategien ein und wenden Verfahren zur Textstrukturierung an. Sie setzen sich mit Inhalt und Gehalt des Gelesenen produktiv auseinander. Auf diese Weise leistet das Lesen implizit einen wichtigen Beitrag zum Ausbau der Kommunikationsfähigkeit der Schülerinnen und Schüler und erweitert die Sprachkenntnisse um Wortschatz sowie sprachliche Muster. Die Schülerinnen und Schüler wählen zunehmend selbständig geeignete Texte und Medien zur Informationsentnahme aus und lernen, diese auch kritisch zu beurteilen. Die Auseinandersetzung mit Texten und Medien, auch auf Grundlage des erweiterten Textbegriffs (wie z. B. Kurzfilme, Videoclips oder Radiosendungen) tragen zur Ausbildung von Lesefreude und Leseinteresse sowie zu Empathie und Fremdverstehen bei. In allen Fächern spielt das Lesen von Fachtexten zur Vermittlung von den jeweiligen Fachinhalten eine zentrale Rolle. Diese Texte stellen die Schülerinnen und Schüler vor besondere Herausforderungen, da sie sich der Elemente der Fach- und Bildungssprache bedienen. Um die Inhalte erfassen zu können, benötigen die Schülerinnen und Schüler Hilfen zur Wortschatzerschließung und Kenntnisse über Lesestrategien. Schwierigkeiten in der visuellen Wahrnehmung, der Phonem-Graphem-Zuordnung, der Seriation (Fähigkeit der Reihenbildung, z. B. vier ist größer als drei), geringe Lesemotivation und fehlende Lesevorerfahrungen erschweren den Erwerb der Lesekompetenz von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf. Didaktisierte und hinsichtlich der sprachlichen Voraussetzungen optimierte Texte unterstützen die Informationserfassung. Hilfen wie Leselupe, individuelle Einstellung der Schriftgröße am Computer sowie Vorlesefunktionen ermöglichen die Steigerung der Lesegeläufigkeit.
Schreiben
Der Übergang vom Mündlichen zum Schriftlichen stellt insbesondere Zweitsprachenlerner vor große Herausforderungen. Zum Schreiben werden nicht nur alle Teilbereiche von Sprache benötigt, sondern auch die Reflexion über Inhalt und Form: Schreibabsicht, treffender Wortschatz, richtige Schreibung, Grammatik und Syntax sowie die Stringenz in der Darstellung sind vor dem Hintergrund der erst noch zu erwerbenden Sprache und ggf. auch des neuen Schrift- und Lautsystems zu sehen. Daher spielen alle Kompetenzbereiche in die Vorbereitung des Schreibens in der Zweitsprache Deutsch hinein. Stärker als das Mündliche erfordert das Schriftliche prozessorientierte Überlegungen zur Planung, Durchführung und Reflexion von selbstverfassten Texten. Der gezielten Bereitstellung von Hilfen zum Schreiben (z. B. durch Wortschatz, Satzanfänge, Satzmuster, Formen des generativen Schreibens) kommt hierbei besondere Bedeutung zu. Damit Texte strukturiert, adressaten- und funktionsgerecht verfasst werden, lernen die Jugendlichen gängige Gestaltungs- und Ordnungsprinzipien kennen und wenden diese gemäß ihrem individuellen Sprachstand an. Die Schülerinnen und Schüler nutzen das Schreiben zur Kommunikation, zur Sicherung von Informationen, zur gedanklichen Auseinandersetzung mit Textinhalten oder Diskussionsthemen, zum kreativen und gestalterischen Umgang mit Sprache sowie zur Selbstreflexion in ihrer eigenen Sprachbiografie (Portfolio). Authentische Schreibanlässe aus der Lebenswirklichkeit der Lernenden werden im Unterricht aufgegriffen. Mit zunehmenden schriftsprachlichen Kenntnissen (Wortschatz, Grammatik, Syntax) gestalten und verfassen sie für die jeweilige Schulart wichtige Textsorten nach und nach selbständiger. Begleitend finden eine gemeinsame Reflexion sowie eine Überarbeitung des Geschriebenen (z. B. in Schreibkonferenzen) statt. Diese helfen dabei, Inhalte zusammenzufassen, über Texte zu diskutieren sowie Meinungen und Werthaltungen zu äußern. Durch die Veröffentlichung von Texten in bestimmten Formaten und Medien werden bei den Schülerinnen und Schülern Motivation und Freude am Schreiben geweckt. Schwierigkeiten in der Handlungsplanung und ‑steuerung, der Merkfähigkeit, der Fein- und Graphomotorik (Schreibbewegung) sowie Sprach- und Sehstörungen wirken sich auf die Entwicklung der Schreibkompetenz aus. Der Einsatz von Textverarbeitungsprogrammen, von Übungen zur Graphomotorik sowie von vorstrukturierten Materialien und geeigneten Schreibwerkzeugen fördert den Erwerbsprozess ebenso wie individualisierte Schreibaufgaben und bedarfsgerechte Zusatzmaterialien.
Sprache entwickeln und Sprachgebrauch untersuchen
Zentrale sinntragende Einheiten jeder Sprache sind deren Wörter, die phonologische Eigenschaften besitzen, sowie grammatikalische, semantische und pragmatische Informationen enthalten. Die Bereitstellung themenorientierter sprachlicher Mittel ist dezidierte Aufgabe des Unterrichts im Fach Deutsch als Zweitsprache. Inzidentelle Lernsituationen stehen dabei gleichberechtigt und ergänzend neben expliziten Lernformen. Dem systematischen und gesicherten Erwerb von Grund-, Fach- und Bildungswortschatz sind darüber hinaus alle Unterrichtsfächer verpflichtet. Im Fach Deutsch als Zweitsprache entwickeln die Schülerinnen und Schüler Strategien zum effektiven Erlernen, Sichern, Differenzieren und situationsgerechten Anwenden von Wortschatz. Aus der zunehmend detaillierten Reflexion über die Funktion von sprachlichen Einheiten, Wortbedeutungen und die sinnvolle sowie korrekte Verknüpfung von Wörtern in grammatikalischen und syntaktischen Strukturen der Zweitsprache erwerben die Schülerinnen und Schüler die Fähigkeit, sich in der deutschen Sprache bewusst auszudrücken und nutzen verstärkt eigenständig Methoden zur Wortschatzerweiterung. In jedem Deutschunterricht werden grundlegende Rechtschreibstrategien erworben. Schülerinnen und Schüler mit Deutsch als Zweitsprache und daraus resultierendem Sprachförderbedarf benötigen besondere Unterstützung, um gesprochene Sprache phonologisch zu verschriften und orthographisches wie grammatikalisches Wissen zu berücksichtigen. Anknüpfend an ihre Sprachlernerfahrungen und altersbedingten Reflexionsfähigkeiten entwickeln die Jugendlichen ihre Sprachbewusstheit weiter und setzen die Sprache situationsgerecht ein. In altersgemäßen, lebensnahen Kommunikationssituationen entdecken sie die Vielfalt der Verwendung der deutschen Sprache. Durch die Reflexion der sprachlichen Verständigung erlangen die Jugendlichen ein zunehmend differenziertes Wissen über den Prozess des Sprachenlernens. Kontrastierende Vergleiche zwischen Erst- und Zweitsprache fördern die Bewusstheit für strukturelle Gemeinsamkeiten und vor allem Unterschiede, sodass auch mögliche Stolpersteine und Fehlerquellen aufgedeckt werden können. Auf diese Weise kann die lebensweltliche Mehrsprachigkeit der Schülerinnen und Schüler als Ressource zugunsten des Spracherwerbs genutzt werden. Auch Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf erwerben Sprachwissen über die Auseinandersetzung mit Strukturen, die ihnen Schwierigkeiten bereiten. Dabei ist die Verknüpfung von sprachlichem und fachlichem Lernen besonders für den Erwerb von Wortschatz und Strukturen geeignet. Die Analyse von Fehlern weist auf den individuellen Lern- und Entwicklungsstand hin und zeigt nächste Lernschritte auf. Mnemotechniken (Merkstrategien), Lernstrategien und Übungsphasen unterstützen den Erwerbsprozess. Ziel ist die Bewältigung von Sprachhandlungssituationen in Alltag und Schule. Die Nutzung orthographischer Strategien rückt ggf. in den Hintergrund.
3 Aufbau des Fachlehrplans im Fach Deutsch als Zweitsprache
Parallel zum Fachlehrplan Deutsch werden Kompetenzerwartungen und Inhalte integriert dargestellt. Methoden und Arbeitstechniken sowie der Umgang mit Medien werden jeweils mit den Inhalten der Kompetenzbereiche erworben.
Der Fachlehrplan Deutsch als Zweitsprache ist nicht nach Jahrgangsstufen gegliedert, sondern modular in vier Lernbereiche eingeteilt, welche mit den im Kompetenzstrukturmodell dargestellten Kompetenzbereichen identisch sind. Diese sind wiederum in Teilbereiche untergliedert, welche aus verschiedenen Modulen bestehen, in denen die Kompetenzerwartungen, soweit möglich, entsprechend ihrer Komplexitätszunahme angeordnet sind, um in allen Ebenen eine mögliche Progression darzustellen. Aus welchem Modul Kompetenzen weiterentwickelt werden, wird durch die Bedürfnisse in einer Sprachsituation und ggf. durch den Deutschunterricht in der Regelklasse bestimmt. Die Kompetenzerwartungen des Lehrplans zeigen Gemeinsamkeiten mit den Niveaustufen des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen (GeR).
Im Gegensatz zu den anderen Fächern des Lehrplans weist der Lehrplan Deutsch als Zweitsprache keine Grundlegenden Kompetenzen aus, da er nicht nach Jahrgangsstufen, sondern nach Modulen gegliedert ist. Nicht alle Schülerinnen und Schüler mit Deutsch als Zweitsprache besuchen bereits ab Jahrgangsstufe 5 eine deutsche Schule, sondern werden oft zu einem späteren Zeitpunkt als Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger in das deutsche Schulsystem eingegliedert. Daher enthält der Fachlehrplan Deutsch als Zweitsprache Kompetenzerwartungen für Sprachanfängerinnen und Sprachanfänger sowie für fortgeschrittene Lernerinnen und Lerner unabhängig von der besuchten Jahrgangsstufe und dem Lernjahr. Die Lehrkraft orientiert sich an den beschriebenen Kompetenzerwartungen der vier Lernbereiche. Da der Lehrplan jahrgangsstufenübergreifend angelegt ist, bietet er vielfältige Möglichkeiten zum differenzierenden Einsatz, sowohl bei neu angekommenen Schülerinnen und Schülern ohne Deutschkenntnisse als auch bei bereits fortgeschrittenen Sprachlernerinnen und ‑lernern.
4 Zusammenarbeit mit anderen Fächern
Die deutsche Sprache nimmt eine zentrale Rolle in allen Fächern ein. Deshalb verfolgt das Fach die Aufgabe, Schülerinnen und Schüler mit Deutsch als Zweitsprache und daraus resultierendem Sprachförderbedarf auf den Unterricht in allen Fächern vorzubereiten. Entsprechend fließen Kompetenzen und Inhalte aus anderen Fächern, angepasst an den jeweiligen Sprachstand, in den Unterricht Deutsch als Zweitsprache ein. So wie fachbezogener Wortschatz und fächerübergreifende Themen und Texte Teil des Zweitsprachenunterrichts sind, so findet Sprachverständnis förderndes Unterrichten auch Eingang in alle anderen schulischen Lernbereiche. Da der Spracherwerb des Deutschen eine fächerübergreifende Aufgabe ist, finden sich im Serviceteil der jeweiligen Fächer Hinweise für den Unterricht in Deutsch als Zweitsprache. Lehrkräfte sind im Sinne eines schülergerechten Unterrichts angehalten, diese zu nutzen, um die Fachinhalte sprachstandsgerecht und ggf. entlastend zu vermitteln. Bei Schularten mit Fachlehrerprinzip gewährleistet diese Vorgehensweise ebenfalls die Förderung von Schülerinnen und Schülern mit Deutsch als Zweitsprache und daraus resultierendem Sprachförderbedarf.
5 Beitrag des Faches Deutsch als Zweitsprache zu den übergreifenden Bildungs- und Erziehungszielen
Neben dem Sprachunterricht geht es im Fach Deutsch als Zweitsprache auch darum, die Vielfalt der kulturellen Prägungen kennenzulernen und wertzuschätzen. Kompetenzen aus den Bereichen der sprachlichen, kulturellen und transkulturellen Bildung sind daher neben Methodenerfahrungen ebenso wie Werteerziehung, Soziales Lernen und Medienbildung integrativer Bestandteil des Fachlehrplans.
Sprachliche Bildung
Das Fach unterstützt Schülerinnen und Schüler mit Deutsch als Zweitsprache und daraus resultierendem Sprachförderbedarf in ihrer Alltags- und Fachsprache. Die Schülerinnen und Schüler erfahren die Angemessenheit der einzelnen Sprachregister hinsichtlich der Situation, des Adressaten und der sozialen Gegebenheit. Sie pflegen angemessene Sprach- und Umgangsformen als Ausdruck gegenseitiger Wertschätzung und des Respekts und nutzen sach- und partnerbezogene Situationen zur Erweiterung ihrer Sprachhandlungskompetenz.
Interkulturelle Bildung
Der Erwerb der deutschen Sprache ist eng mit transkulturellem Lernen verbunden. Mit der zunehmenden Fähigkeit, sich in der deutschen Sprache auszudrücken und somit sich selbst mitzuteilen, können kulturelle und religiöse Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Worte gefasst erkannt werden. Die Schülerinnen und Schüler lernen, die eigenen Einstellungen mit denen anderer zu vergleichen. Sie akzeptieren andere in ihrer kulturellen Eigenart, gehen einfühlsam sowie respektvoll mit Unterschieden um und sind offen für Aspekte anderer Kulturen.
Soziales Lernen
Der Unterricht im Fach Deutsch als Zweitsprache bietet vielfältige Lernchancen, den alltagssprachlichen Umgang im Unterricht zu thematisieren. Er gibt beispielhaft sprachliche Vorbilder und Muster für höfliches, respektvolles und zuvorkommendes Verhalten. Unterschiedliche Sprachstände erfordern Rücksichtnahme und Hilfe von allen Schülerinnen und Schülern, sodass sowohl das Miteinander- als auch das Voneinanderlernen zu einem positiven sozialen Klima in der Klasse beitragen. Die Wertschätzung von Schülerinnen und Schülern unterschiedlicher kultureller Prägung fördert die Unvoreingenommenheit in der Fremdwahrnehmung, die Selbstreflexion und die Empathie.
Werteerziehung
Indem die Schülerinnen und Schüler sich reflektierend mit Werten und Normen auseinandersetzen, gelangen sie zu einem verlässlichen Orientierungsmaßstab für ihr Handeln. Sie gehen achtsam, respekt- und rücksichtsvoll miteinander um. Innerhalb der einzelnen Sprachebenen handeln sie situativ und sozial angemessen. Die selbsterfahrene Zweitspracherwerbssituation fördert empathische Fähigkeiten, die partnerschaftliches Sprachlernen in heterogenen Lerngruppen ermöglichen. Metasprachliche Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler können im Sinne des peer learnings nutzbar gemacht werden.
Medienbildung/Digitale Bildung
Lesekompetenz, die auf der sprachlich-literarischen Bildung im Elementarbereich aufbaut, ist eine wesentliche Grundlage der Medienbildung. Die Schülerinnen und Schüler setzen sich in vielfältiger Weise mit Print-, Hör- und Bildmedien sowie deren Inhalten und medialen Merkmalen auseinander. Sie gewinnen Einsichten in die Ziele und Wirkungen von Medienbotschaften und reflektieren ihre eigenen Medienerfahrungen.
Kulturelle Bildung
Die Schülerinnen und Schüler zeigen Verständnis für das kulturelle Erbe sowie für historische und zeitgenössische Ausdrucksweisen. Sie lernen kulturelle und künstlerische Darstellungen als von Menschen geschaffen kennen. Auf diese Weise finden sie Möglichkeiten, ihr eigenes Umfeld aktiv mitzugestalten und sich so ins soziale und kulturelle Leben einzubringen. In diesem Sinne leistet der Unterricht im Fach Deutsch als Zweitsprache einen bedeutenden Beitrag zur kulturellen Bildung.