Im Fach Sozialwesen befassen sich die Schülerinnen und Schüler mit der sozialen Existenz des Menschen, seinen anthropologischen Voraussetzungen und konkreten Bedingungen sozialen Handelns.
Sie erleben die eigene Sozialisation zunehmend bewusster als einen Prozess der Übernahme sozialer Normen und Werte. In der beginnenden Adoleszenz sind sie in der Lage, die eigene Rolle bei diesem Prozess altersangemessen zu reflektieren und kritisch zu prüfen. Die einzelnen Themen des Faches Sozialwesen und die vermittelten sozialwissenschaftlichen Methoden leisten dabei einen Beitrag zur Identitätsentwicklung, während der sich die Schülerinnen und Schüler in neuen Beziehungsfeldern zu verorten lernen. Wie im Fach Sozialkunde wird das Interesse der Schülerinnen und Schüler auf das Verhältnis zwischen Individuum und Gesellschaft gelenkt, dabei wird jedoch gezielt und vertieft die Frage nach der Integration des Einzelnen in die Gesellschaft und nach seiner sozialen Verantwortung für den Mitmenschen gestellt.
Die soziale Wirklichkeit, die verschiedenen Handlungsfelder des Zusammenlebens sowie Möglichkeiten sozialen und sozialpolitischen Handelns stehen im Zentrum des Faches Sozialwesen. Im Kontakt mit in der Praxis erfahrenen Personen, Einrichtungen und Organisationen wird die Bedeutung der Sozialarbeit für das Individuum wie für die Gesamtgesellschaft deutlich. Die Schülerinnen und Schüler können über diese Nähe zur sozialen Praxis und über verbindliche Praktika eigene Fähigkeiten und Fertigkeiten (z. B. Empathie mit Menschen in Notsituationen, ehrenamtliches Engagement) entwickeln und werden zudem auf qualifizierte erzieherische, beratende, pflegerische und medizinische Tätigkeiten und Berufsfelder aufmerksam gemacht. Die Praktika ermöglichen eine differenzierte berufliche Orientierung und leisten zugleich einen wichtigen Beitrag dazu, Chancen und Grenzen des Sozialstaats in Ansätzen selbst zu erfahren.
Das Fach Sozialwesen erweitert die im Fach Sozialkunde vermittelte politische Bildung um wesentliche soziale Aspekte (z. B. Sozialisation, Gruppe, Rolle, Familienbild, Umgang mit Alter und Behinderung, soziale Aspekte der Arbeit) und verstärkt die Herausbildung sozialer Kompetenzen sowie grundlegender Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten im Bereich von Kommunikation und Kooperation.
Wenn Heranwachsende human- und gesellschaftswissenschaftliche Grundtatsachen sowie politische, wirtschaftliche und soziale Zusammenhänge kennen, sind sie in der Lage, die soziale Realität differenziert wahrzunehmen und sachlich fundiert zu analysieren. Sie können eine komplizierte gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Wirklichkeit umso leichter begreifen, je kundiger sie aktuelle soziale und sozialpolitische Entwicklungen und Themen in übergeordnete Kategorien einzuordnen lernen.
Das Fach Sozialwesen trägt über seine Inhalte und die praxisnahe Ausrichtung zur Entwicklung eigenverantwortlicher und gemeinschaftsfähiger Persönlichkeiten bei. Enge Anbindungen an die Lebenswelt (u. a. durch Praktika) wecken Verständnis für unterschiedliche Lebenssituationen und stärken die Empathie. Die Schülerinnen und Schüler gewinnen die Einsicht, dass das Handeln des Einzelnen und das Zusammenleben in der Gemeinschaft von Vorstellungen bestimmt werden, die auf den Werten des Grundgesetzes basieren, insbesondere auf der Würde des Menschen und den davon abgeleiteten Grundrechten. Das Fach zielt damit ab auf eine Erziehung hin zu Toleranz, zum Willen und zur Fähigkeit, Konflikte geregelt und sachorientiert auszutragen, zu einem angemessenen Umgang mit eigenen und fremden Gefühlen sowie zu einer von Mitmenschlichkeit getragenen Solidarität und zur Bereitschaft, soziale Verantwortung zu übernehmen.
Die Schülerinnen und Schüler entwickeln ein Verständnis für die soziale Existenz des Menschen, indem sie Grundtatsachen aus den Human- und Gesellschaftswissenschaften kennenlernen. Dabei beschäftigen sie sich – jeweils altersangemessen – mit pädagogischen, psychologischen und sozialpolitischen Fragestellungen und gewinnen Einblick in die Realität der sozialen Arbeit. Ferner werden sie sich über Sozialisations- und Integrationsprozesse, Strukturen und langfristige Entwicklungen im modernen Sozialstaat bewusst – auch als Voraussetzung für eine rational begründete Einflussnahme auf die zukünftige Gestaltung des Zusammenlebens. Der Altersstufe entsprechend erwerben die Schülerinnen und Schüler Kompetenzen, die auf einen verantwortungsbewussten Umgang mit der eigenen Person wie auch mit anderen Menschen abzielen. So gewinnen sie z. B. ein Gespür dafür, sich selbst und andere zu achten, lernen, die Freizeit sinnvoll zu gestalten und erweitern ihre kommunikativen und kooperativen Fähigkeiten.
Alle Themen des Faches Sozialwesen eignen sich, den Interessen der Jugendlichen unter Einbeziehung örtlicher und regionaler Bedingungen wie auch aktueller Entwicklungen Rechnung zu tragen. Außerdem eröffnen sich vielfältige Möglichkeiten für Projektarbeit und einen handlungs- und erfahrungsorientierten sowie aktivierenden Unterricht, der beispielsweise Raum lässt für Plan- und Interaktionsspiele, für die Einbeziehung neuer Medien oder das Einüben unterschiedlicher Arbeitstechniken.
Viele Inhalte machen den Kontakt zu Experten, Einrichtungen und Organisationen notwendig, deren Erfahrungen in der sozialen Arbeit über Interviews, Befragungen und Erkundungen nutzbar gemacht werden. Den Zielen des Faches dienende Projekte in Zusammenarbeit mit sozialen Einrichtungen sind wünschenswert.
Das Fach Sozialwesen kann vor allem dann einen wesentlichen Beitrag zum Schulprofil leisten, wenn die Kontakte nach außen sowie das Hereinholen von Wirklichkeit in das Klassenzimmer zu einem bestimmenden Charakteristikum des Faches werden.
Eine Besonderheit des Faches Sozialwesen an der Realschule ist die Verknüpfung mit einem verpflichtenden Sozialpraktikum, das als Blockpraktikum von einwöchiger Dauer sowohl in Jahrgangsstufe 8 als auch in Jahrgangsstufe 9 verbindlich durchzuführen ist. Die Art des Sozialpraktikums orientiert sich an den kognitiven und sozialen Fähigkeiten sowie am Alter der Schülerinnen und Schüler und ist unter Berücksichtigung lokaler Gegebenheiten mit den Inhalten des Unterrichts abzustimmen. Es wird im Unterricht vorbereitet und vonseiten der Lehrkraft begleitet. In Praktikumsberichten, Videotagebüchern u. Ä. werden die eigene Arbeit und die Erfahrungen nachbereitet und reflektiert.